ARD-DeutschlandTrend Angst vor Altersarmut - Ruf nach dem Staat
Arbeitsministerin von der Leyen hat mit dem Thema Zuschussrente offensichtlich ein wichtiges Thema angestoßen: Laut ARD-DeutschlandTrend hat ein Drittel der Erwerbstätigen Angst vor Armut im Alter. Für die Zuschussrente spricht sich ein Drittel der Befragten aus, 40 Prozent sind für die Einführung einer Mindestrente.
Von Jörg Schönenborn, WDR
Es gibt wenig, was die Deutschen so sehr besorgt, wie die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse im Alter. Auf der einen Seite drohen Zinsentwicklung und Euro-Krise persönliche Sparpläne über den Haufen zu werfen. Auf der anderen Seite hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen gerade mit konkreten Zahlen deutlich gemacht, wie wenig viele Beschäftigte eines Tages von der gesetzlichen Rente zu erwarten haben. Die wichtigste Erkenntnis: Ein Drittel derjenigen, die die Rente noch vor sich haben, hat Angst vor Armut im Alter.
Die Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB), Staatsanleihen von Schuldenstaaten zu kaufen, sehen die meisten Deutschen sehr kritisch. 50 Prozent der Befragten sind gegen diesen Kurs, nur 13 Prozent unterstützen ihn. Die übrigen Befragten geben offen zu, dass sie diese komplizierte Materie nicht beurteilen können.
Erstaunlich ist die breite Unterstützung für die streikenden Flugbegleiter bei der Lufthansa. 75 Prozent der Befragten erklären, sie hätten Verständnis für die Streiks, die am Freitag wieder einen wesentlichen Teil des Flugverkehrs lahm legen sollen. Das ist - verglichen mit zurückliegenden Streiks in anderen Branchen - ein sehr hoher Wert. Er erklärt sich vor allem damit, dass die Zahl der Betroffenen sehr gering ist. Lufthansa-Passagiere sind eben nur ein kleiner Bevölkerungsausschnitt, und die meisten wissen sich in einer solchen Situation zu helfen.
Piraten rutschen weiter ab
In der Sonntagsfrage fällt vor allem die Entwicklung der Piratenpartei ins Auge. Zum ersten Mal seit ihrem kometenhaften Aufstieg im Frühjahr, der die neue Partei bis auf elf Prozent brachte, rutscht sie auf sechs Prozent ab. Es wird immer fraglicher, ob der lange Zeit für wahrscheinlich gehaltene Einzug in den nächsten Bundestag im Sommer 2013 wirklich stattfinden wird. Im Regierungslager darf sich die Union über einen Anstieg auf 37 Prozent (+1) freuen, dafür fällt die FDP im Gegenzug wieder auf vier Prozent (-1) zurück. Die Chancen auf eine Neuauflage der schwarz-gelben Koalition sind aus heutiger Warte hauchdünn.
Die SPD gewinnt im September-Trend deutlich hinzu und steht nun bei 30 Prozent (+2). Aber auch hier würde es zusammen mit den 13 Prozent der Grünen (+0) nicht für eine Mehrheit reichen. Die Linkspartei steht unverändert bei sechs Prozent. Neben der großen Koalition wäre bei einem solchen Wahlergebnis entweder eine schwarz-grüne oder eine rot-rot-grüne Regierung denkbar.
40 Prozent befürworten Mindestrente
Zurück zum Thema Rente: Je geringer das Einkommen, desto größer ist die Angst vor Armut im Alter. In der Gruppe, die von einem Haushaltseinkommen mit weniger als 1500 Euro netto im Monat lebt, befürchten das 58 Prozent. Und selbst in der Gruppe, die bis zu 3000 Euro netto im Monat zur Verfügung hat, fürchten 40 Prozent, später selbst betroffen zu sein. Insgesamt rechnet jeder Dritte (33 Prozent) damit, eines Tages von Altersarmut betroffen zu sein.
Was sind die Konsequenzen aus dieser bedrohlichen Stimmungslage bei den Jüngeren? Die große Mehrheit der Befragten befürwortet gesetzliche Veränderungen, die zumindest für einen Teil der Betroffenen den finanziellen Absturz abfedern. So befürworten 40 Prozent die Einführung einer Mindestrente für alle und 33 Prozent die von Arbeitsministerin von der Leyen angestrebte Zuschussrente für langjährig Beschäftigte. Nur eine Minderheit von 23 Prozent vertritt die Position, dass jeder selbst für eine angemessene Rente sorgen soll.
Dagegen ist die Lage der heutigen Rentner-Generation nach eigener Einschätzung vergleichsweise rosig. Immerhin 69 Prozent erklären, sie hätten als Rentner ihren früheren Lebensstandard in etwa halten können. Und nur neun Prozent fühlen sich von Altersarmut selbst betroffen.
Rücklagenbildung statt Beitragssenkungen
Erstaunlich ist auch, wie sich das generelle Bild der staatlichen Sozialversicherung nach vier Krisenjahren verändert hat. Immerhin eine relative Mehrheit von 48 Prozent ist heute der Überzeugung, dass das Geld bei der gesetzlichen Rente sicherer ist, als bei der privaten Altersvorsorge. 41 Prozent sehen das nicht so. Die Zeiten von "Privat vor Staat" sind zumindest auf dem Feld der Rente offensichtlich vorbei. Deshalb möchten die Deutschen auch, dass die Rentenversicherung finanziell gut ausgestattet ist und Rücklagen bildet, statt die Beiträge zu senken. Eine große Mehrheit von 83 Prozent plädiert für diesen Weg, nur 15 Prozent befürworten die vom Bundeskabinett bereits beschlossene Senkung der Rentenversicherungsbeiträge.
Die Rentendebatte hat den interessanten Nebeneffekt, dass die Arbeitsministerin zwar ganz offensichtlich ein hoch populäres und wichtiges Thema angestoßen hat, ihre Rezepte gegen Altersarmut überzeugen die Mehrheit aber nicht. Das dürfte ein Grund dafür sein, dass ihre persönliche Popularität spürbar gesunken ist und nun den niedrigsten Stand seit zweieinhalb Jahren erreicht.
Merkel bleibt beliebteste Politikerin
Nur noch 41 Prozent sind mit der Arbeit von Ursula von der Leyen zufrieden. Sie rangiert damit auf Platz sieben der Liste. Ebenfalls deutliche Verluste muss Angela Merkel hinnehmen, die aber mit 61 Prozent (-7) die Tabelle weiterhin anführt. Ihr folgen Finanzminister Wolfgang Schäuble mit 60 Prozent (-4), Verteidigungsminister Thomas de Maizière mit 57 Prozent (-3) sowie die Sozialdemokraten Frank-Walter Steinmeier mit 55 Prozent (+/-0), Hannelore Kraft mit 53 Prozent (+1) und Peer Steinbrück mit 50 Prozent (-2).
Schlechte Umfragewerte für Gabriel
Wenig neues gibt es in der SPD-Kandidatendebatte - sieht man einmal davon ab, dass die meisten Beobachter nicht mehr an eine Entscheidung in der K-Frage erst Anfang 2013 glauben. Wir haben deshalb diesmal eine andere Fragestellung gewählt. Zum einen wollten wir von den SPD-Anhängern wissen, mit welchen Kandidaten die SPD die besten Chancen hätte. Hier liegt Peer Steinbrück mit 38 Prozent knapp vor Frank-Walter Steinmeier mit 36 Prozent. Abgeschlagen ist Sigmar Gabriel mit 16 Prozent.
Dann haben wir die Nicht-SPD-Anhänger gefragt, welcher Kandidat sie am ehesten zu einem Schwenk Richtung SPD bewegen könnte. Auch hier liegt Steinbrück mit 34 Prozent vorn, diesmal mit deutlicherem Abstand zu Steinmeier (28 Prozent), Gabriel ist auch in diesem Kreis mit 13 Prozent abgeschlagen.
Obama - ein Stern am Umfragehimmel
Zumindest bei einer Kandidatenfrage sind sich die Deutschen fast einig. Sie wollen, dass Barack Obama Präsident der Vereinigten Staaten bleibt. Schon vor der Parteitagsrede sprachen sich 86 Prozent deutlich für den Amtsinhaber aus. Nur sieben Prozent würden sich - wenn sie selbst wählen könnten - für Mitt Romney entscheiden. In den USA mag die Enttäuschung über Obama groß sein, in Deutschland steht sein Stern immer noch hoch am Umfragehimmel. Aus der Ferne beobachtend sind 75 Prozent der Deutschen mit seiner Arbeit in den letzten dreieinhalb Jahren zufrieden. Zum Vergleich noch einmal der Wert von Angela Merkel: Als populärste deutsche Politikerin kommt sie nur auf 61 Prozent.
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Fallzahl: 1.003 Befragte
Erhebungszeitraum: 03. bis 04. September 2012
Fallzahl Sonntagsfrage: 1503 Befragte
Erhebungszeitraum: 03. bis 05. September 2012
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
* bei einem Anteilswert von 5%, ** bei einem Anteilswert von 50%