Erste Zwischenbilanz Wie erfolgreich ist das neue Deutschlandstipendium?
Ein Jahr nach der Einführung des Deutschlandstipendiums hat das Bundesbildungsministerium eine erste Bilanz gezogen. Rund 5500 Stipendien wurden vergeben - deutlich weniger, als erhofft. Offenbar tun sich viele Hochschulen schwer, private Spender aufzutreiben - und manche beteiligen sich erst gar nicht an dem Verfahren.
Von Martin Hoffmann für tagesschau.de
Wer hätte das gedacht: Die Bilanz der Bundesregierung gut ein Jahr nach dem Start des Deutschlandstipendiums fällt durchweg positiv aus. In den 14 Monaten seit dem Start wurden rund 5500 Stipendien in Höhe von 300 Euro pro Monat vergeben.
"Die Statistik belegt: Das Deutschlandstipendium kommt gut an", erklärte Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen. Mittelfristig sollen bis zu acht Prozent aller Studierenden an deutschen Hochschulen durch das Projekt gefördert und eine neue Stipendienkultur im Land geschaffen werden.
Startschwierigkeiten im System
Analysiert man die Zahlen genauer, ergibt sich allerdings ein etwas differenzierteres Bild: Denn mit 5500 Stipendien sind deutlich weniger, als beim Start vor einem Jahr erhofft. Damals hatte man bis zu 10.000 Stipendien bis Ende 2011 angepeilt.
Das liege vor allem daran, dass die Hochschulen zunächst einmal Fundraisingstrukturen aufbauen, potentielle Mittelgeber ansprechen und ein Bewerbungsverfahren für die Studierenden etablieren mussten, erklärte eine Ministeriumssprecherin.
Ähnlich argumentiert auch Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerkes gegenüber tagesschau.de: "Es gab einige Startschwierigkeiten, da es sich um ein neues System handelt. Der Startschuss fiel ja erst im April letzten Jahres - und das muss sich erst noch entwickeln."
Große regionale Unterschiede
Neben den für solch ein Großprojekt üblichen Anlaufschwierigkeiten sieht Meyer auf der Heyde aber noch ein weiteres Problem: "Es ist auch eine Frage der Wirtschaftslage: Nicht alle Standorte sind wirtschaftlich in der Lage, flächendeckend Stipendien anzubieten. BAföG ist und bleibt daher das Mittel der Wahl für die Breitenförderung."
Vergleicht man die Zahlen der einzelnen Bundesländer, fallen in der Tat große regionale Unterschiede auf. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2011 in Bayern (867 Stipendiaten) oder Baden-Württemberg (730) besonders viele Stipendien vergeben. In Hamburg (27) oder Schleswig-Holstein (70) liegen die Zahlen hingegen deutlich niedriger.
Setzt man die Zahlen aber ins Verhältnis zur Studentenzahl, zeigt sich, dass der Erfolg des Deutschlandstipendiums weniger davon abhängt, welche Wirtschaftskraft ein Hochschul-Standort hat. Deutlich wichtiger ist, wie offen sich die einzelnen Hochschulen für das Deutschlandstipendium zeigen. Denn in Hamburg und Schleswig-Holstein beteiligten sich weniger Hochschulen überhaupt an dem Programm - was die geringere Zahl an Deutschlandstipendien erklärt.
Kritik an der Auswahlpolitik der Hochschulen
Kritiker hatten bei der Einführung des Deutschlandstipendiums gemutmaßt, dass vor allem die davon profitierten, die ohnehin schon auf der besseren Seite der Gesellschaft stünden. Studenten aus bildungsfernen Elternhäusern hätten es schwerer - auch, weil die Hochschulen die Kriterien, nach denen sie ein Stipendium vergeben, selbst festlegen dürften und zuallererst auf den Notendurchschnitt achten würden.
Doch dieses Argument will das Ministerium nicht gelten lassen. Der Anteil der Studenten, die aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse Anspruch auf BAföG haben, sei unter den Deutschlandstipendiaten etwa genauso hoch wie in der Studierendenschaft insgesamt, nämlich etwa ein Viertel.
Das spreche für die Auswahlverfahren und für den Leistungs- und Begabungsbegriff, der dem Stipendium zugrunde liege. Dieser schließe explizit auch soziales Engagement und die Überwindung besonderer Hürden im eigenen Lebenslauf mit ein.
Teil der Mittel bleibt ungenutzt
Insgesamt beteiligten sich rund drei Viertel aller Hochschulen am Deutschlandstipendium. Sie trugen für das Programm rund zehn Millionen Euro an privaten Mitteln zusammen.
Das bedeutet allerdings auch, dass ein Teil der Fördergelder von den Hochschulen nicht abgerufen wurde. Immer dann, wenn sich kein Co-Finanzierer für ein Stipendium finden ließ, konnten die Universitäten die Förderung nicht vergeben.
Bereits im ersten Jahr seien so im Bundeshaushalt sieben Millionen Euro der eigentlich für das Programm bewilligten Mittel nicht genutzt worden, erklärte der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Hagemann.
Viele Frauen - wenig Ausländer
Am häufigsten (27 Prozent) wurden 2011 Studenten aus der Fächergruppe Ingenieurswissenschaften gefördert. Es folgen die Fächergruppen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit 1362 Stipendiaten (25 Prozent) sowie Mathematik und Naturwissenschaften mit 1244 geförderten Studenten (23 Prozent).
Mit 47 Prozent waren knapp die Hälfte der Stipendiaten Frauen. 356 Stipendien, also sieben Prozent, gingen an Studierende mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Dies liegt etwas unter ihrem Anteil an der Gesamtzahl der Studenten in Deutschland (elf Prozent).