Grenzen zu Tschechien und Tirol Grenzkontrollen in Kraft - Kritik reißt nicht ab
An der Grenze zu Tschechien und dem österreichischen Bundesland Tirol gibt es wieder Kontrollen - bislang ohne größere Staus. Unklar ist, was auf die Zehntausenden Berufspendler zukommt. Kritik kommt von der EU und der Industrie.
Die verschärften deutschen Einreiseregeln für Tschechien und Teile Österreichs sind um Mitternacht in Kraft getreten. Sie haben bislang weder für Stau noch für lange Wartezeiten gesorgt. "Die Lage ist momentan sehr ruhig", sagte ein Sprecher der Grenzpolizei Passau am frühen Morgen. Es sei schließlich Sonntagsverkehr. "An einem Wochentag, wenn Pendler versuchen einzureisen, wird die Lage sicherlich anders aussehen". Dann seien auch wieder Lastwagen unterwegs.
Seit heute gelten an der deutschen Grenze zu Tschechien und dem österreichischen Bundesland Tirol schärfere Einreiseregeln. Aus Angst vor den dort verbreiteten, ansteckenderen Varianten des Coronavirus wird an den entsprechenden Grenzübergängen in Bayern und Sachsen scharf kontrolliert.
Regeln sollen streng kontrolliert werden
Laut einer Verordnung des Bundesinnenministeriums dürfen aus den betroffenen Gebieten nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland einreisen. Ausnahmen gibt es für Ärzte, Kranken- und Altenpfleger sowie für Lastwagenfahrer und landwirtschaftliche Saisonkräfte.
Auch wer zur Beerdigung eines Elternteils, Ehepartners oder Kindes will, darf einreisen, genauso Väter für die Geburt ihres Kindes. Für alle gilt: Sie müssen einen negativen Corona-Test vorweisen und in Deutschland zunächst in Quarantäne gehen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer bekräftigte, dass die Einreiseregeln streng kontrolliert werden. "Wer nicht zu einer der wenigen Ausnahmen gehört, kann nicht einreisen", sagte Seehofer der "Bild am Sonntag". Er rechne mit Verzögerungen. "Durch die Kontrollen kann es hier und da zu Wartezeiten kommen. Die Bundespolizei wird den Verkehr nicht einfach durchwinken." Mit der Bundespolizei sei aber besprochen, die Kontrollen der Lage angepasst durchzuführen, um größere Rückstaus zu vermeiden.
Neue Kritik aus Brüssel
Der Beschluss der Regierung ruft weiterhin viel Kritik hervor. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hält das Einreiseverbot für ungeeignet, eine Ausbreitung des Virus einzudämmen: "Die Furcht vor den Mutationen des Coronavirus ist verständlich. Aber trotzdem gilt die Wahrheit, dass sich das Virus nicht von geschlossenen Grenzen aufhalten lässt", sagte die 64-jährige christdemokratische Politikerin aus Zypern der "Augsburger Allgemeinen".
"Ich halte es für falsch, dass wir wieder zu einem Europa mit geschlossenen Grenzen wie im März 2020 zurückkehren." Über kritische Bemerkungen seitens der EU-Kommission hatte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer schon tags zuvor empört.
Bayern will Ausnahmen für Pendler
Zahlreiche Fragen sind nach wie vor ungeklärt. Umstritten ist etwa die Regelung für Pendler. Bayern will nach dem neuen Text seiner Einreise-Quarantäneverordnung Ausnahmen für Grenzgänger und Grenzpendler, wenn deren Tätigkeit für die Aufrechterhaltung betrieblicher Abläufe dringend erforderlich und unabdingbar ist und dies durch den Dienstherrn, Arbeitgeber oder Auftraggeber bescheinigt wird. Dem Vernehmen nach gibt es von Bundesseite aus aber noch Forderungen, die Ausnahmen enger zu fassen. Unstrittig seien Ausnahmen für medizinisches Personal, hieß es.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Landesinnenminister Joachim Herrmann wollen am Mittag über die neuen Grenzkontrollen informieren. Am Grenzübergang Schirnding zu Tschechien treffen sie sich mit Vertretern der Bundespolizei und der bayerischen Grenzpolizei.
Tirol will den Lkw-Verkehr aus Italien drosseln
Das österreichische Bundesland Tirol hat indes angekündigt, den Lastwagenverkehr aus Italien bereits ab heute zu drosseln, um einen extremen Rückstau und einen Verkehrskollaps im Inntal zu verhindern. "Wir lassen es nicht zu, dass Tirol der Parkplatz Europas wird. Aus diesem Grund wird in Abstimmung mit dem Bund eine Verordnung erlassen, die uns Kontrollen bereits am Brenner ermöglicht", erklärten Tirols Landeshauptmann Günther Platter und Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe.
Hintergrund ist demnach die deutsche Vorgabe, dass Lkw-Fahrer vorab bereits online für die Einreise registriert sein müssen und überdies verpflichtet sind, einen negativen Covid-Test mitführen, der nicht älter ist als 48 Stunden ist. Laut Platter dürfte dies heute am ersten Tag der Kontrollen noch nicht allen Lastwagenfahrern in vollem Umfang bekannt sein. Daher werde Österreich die Ausreisevoraussetzungen von Tirol nach Deutschland bereits bei der Einreise nach Tirol am Brenner überprüfen.
Industrie sieht Lieferketten gefährdet
Neben Tschechien und Tirol hatte die Bundesregierung in Berlin am Freitag auch die Slowakei als Gebiet mit besonders gefährlichen Virusmutationen eingestuft. Das Land hat aber keine gemeinsame Landesgrenze mit Deutschland. Dennoch regte sich auch von slowakischer Seite Protest. "Diese Maßnahme wird riesige Probleme verursachen und ist für unsere Lastwagenfahrer in der Praxis kaum erfüllbar", erklärte der slowakische Außenminister Ivan Korcok mit Blick auf die Verpflichtung für Lkw-Fahrer, einen negativen Corona-Test mitführen zu müssen. Die Slowakei habe deshalb eine diplomatische Note nach Berlin geschickt.
Die deutsche Industrie warnte, dass die Kontrollen an mehreren Grenzen einen Zusammenbruch der europäischen Lieferketten verursachen könnten. "Absehbar sind Engpässe bei ausländischem Fahrpersonal in Deutschland, erhebliche Verzögerungen beim Grenzübertritt und weiträumige Ausweichverkehre", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Joachim Lang. "Manche Transporte werden ganz wegfallen, etwa weil Personal fehlt."