Ministerpräsident Kretschmer "Wir haben sehr entschlossen gehandelt"
Nach den Ausschreitungen in Chemnitz hat Sachsens Ministerpräsident Kretschmer Vorwürfe in den tagesthemen zurückgewiesen. Die Lage war eskaliert, dabei soll der Verfassungsschutz die Polizei vor Gefahren gewarnt haben.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hat nach den Ausschreitungen in Chemnitz erneut die Reaktion der eigenen Landesregierung und den Einsatz der Polizei verteidigt. "Wir haben als sächsische Landesregierung sehr entschlossen gehandelt", sagte Kretschmer im Interview mit den tagesthemen. Den Einsatz der Polizeibeamten bezeichnete er als "schwierig", aber auch als "sehr sauber" und "sehr erfolgreich". Den Vorwurf, zu lange, zu zögerlich agiert zu haben, wies er zurück.
Nach den Eskalationen am Sonntag war es auch bei den Demonstrationen am Montag zu Ausschreitungen gekommen. Nach Polizeiangaben kamen bei einer linksorientierten Demonstration rund 1500 Teilnehmer zusammen. Ihr stand ein Demonstrationszug des rechtspopulistischen Bündnisses "Pro Chemnitz" mit rund 6000 Teilnehmern gegenüber. Bei beiden Demonstrationen hatte die Polizei mit deutlich geringerer Beteiligung gerechnet. Knapp 600 Beamte waren am Montag im Einsatz, um für Sicherheit zu sorgen.
Verfassungsschutz soll gewarnt haben
"Wir halten hier zusammen", betonte Kretschmer weiter. Es gebe ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen und Unternehmen, die versuchten, diesen Tendenzen entgegenzuwirken. Doch die Extremisten hätten "ihr Tun in den Untergrund verlegt". Von den Zahlen der Demonstranten sei man "überrascht" worden, räumte der Ministerpräsident ein. Dabei hatte der sächsische Verfassungsschutz die Polizei am Montag nach eigenen Angaben klar vor einem organisierten Nazi-Aufmarsch gewarnt. Ein entsprechendes Lagefax sei bereits "kurz nach dem Mittag, um 13.00 Uhr" an die Polizeidirektion Chemnitz gegangen, sagte Verfassungsschutzsprecher Martin Döring der "Bild".
Sachsen-Anhalt hätte Verstärkung geschickt
Der Innenminister Sachsen-Anhalts, Holger Stahlknecht, kritisierte die Kommunikation: Die Alarmierungswege für Polizeieinsätze müssten besser werden. "Wenn wir gebeten worden wären, hätten wir aus Sachsen-Anhalt sofort Verstärkung geschickt", sagte Stahlknecht. "Das ist guter Brauch zwischen den Ländern."
Kretschmer wiederholte seine Ankündigung, Straftaten nun "mit aller Härte" zu verfolgen und zu ahnden. Den Vorwurf, die Landesregierung in Sachsen habe das Thema Rechtsextremismus zu lange verharmlost, wies Kretschmer zurück. Dass es in Sachsen Rechtsextremismus gebe, könne man nicht leugnen - "so wie in der ganzen Bundesrepublik". "Und jeder Rechtsextremist ist einer zu viel." Doch es bringe nichts, "sich jetzt gegenseitig Vorurteile" vorzuhalten. Man müsse jetzt "einen aktiven Kampf führen".
Angehen gegen eine "kleine bösartige Minderheit"
"Die Situation ist sehr ernst", sagte Kretschmer und bezog sich auf den Tod eines 35-Jährigen in Chemnitz, nachdem er bei einem Streit durch Messerstiche verletzt worden war. Der Tod des Mannes rühre viele Menschen auf, es gebe "viel Mitleid, aber auch viel Protest". Man müsse nun erreichen, dass dieser Protest nicht bei Rechten oder Hooligans laut werde, sondern bei den Demokraten, die nun das Gespräch mit den Menschen suchen müssten. "Ich werde nicht zulassen, dass Pauschalen über das Land und die Menschen verbreitet werden", versprach Kretschmer. Es sei "eine kleine bösartige Minderheit", die versuche in die Gesellschaft hineinzuwirken.
Am Sonntag hatte es auch Angriffe auf Ausländer gegeben, sie wurden teilweise verfolgt und getreten. Rechtspopulisten hatten skandiert: "Das ist unsere Stadt" und "Wir wehren uns". Selbstjustiz sei aber "kein Mittel der Wahl", stellte dem Kretschmer entgegen. Er glaube, dass die Ereignisse in Chemnitz "viele Menschen aufrütteln werden" und es durchaus zu einer "neuen Bewegung" kommen könne, die den "Rechtsextremismus zerstört".