Soldaten stehen auf einen Platz der Julius-Leber-Kaserne in Berlin.

Marode Kasernen Wohin mit neuen Soldaten?

Stand: 23.04.2025 10:18 Uhr

Die Truppenstärke der Bundeswehr soll erhöht werden - auch über die Wehrpflicht wird diskutiert. Doch wohin mit den Soldaten? Viele Kasernen wurden geschlossen oder sind marode.

Im ehemaligen Schulungszentrum wächst schon Moos. Die letzten Soldaten haben die Heinrich-Hertz-Kaserne im rheinland-pfälzischen Birkenfeld vor acht Jahren verlassen. Früher war hier die Zweite Luftwaffendivision stationiert, bis sie 2013 aufgelöst wurde. Zuerst wurden die Panzerrampen zurückgebaut und die ehemalige Tankstelle. Auf dem Gelände sollen nun ein Gewerbepark mit Bürogebäuden und Wohnungen entstehen. Die Abbrucharbeiten haben vergangenen Herbst begonnen und werden noch lange dauern. Die Uhr zurückdrehen, dafür ist es hier zu spät.

Im Zuge der Bundeswehrreform und der Aussetzung der Wehrpflicht wurden seit 2011 deutschlandweit 31 Kasernen geschlossen und andere Standorte verkleinert. Allein in Rheinland-Pfalz wurden vier Standorte geschlossen: Einer wurde verkauft, die drei weiteren Liegenschaften werden inzwischen gewerblich oder zur Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen genutzt. Ähnlich sieht es bei vielen anderen aufgegebenen Standorten in Deutschland aus. Es gibt in Deutschland noch 275 Bundeswehr-Standorte (Stand 31.12.2024), ursprünglich waren es mal 400.

Eingang der Heinrich-Hertz-Kaserne in Birkenfeld. (Archivbild: 26.10.2011)

Die Heinrich-Hertz-Kaserne in Birkenfeld wurde 2013 aufgelöst. Aktuell gibt es noch 275 Standorte der Bundeswehr.

Schimmel und Sanierungsstau in Kasernen

Viele bestehende Bundeswehrstandorte sind in einem "beklagenswerten Zustand" und müssten dringend saniert werden, so die aktuelle Bestandsaufnahme der Wehrbeauftragten Eva Högl. In ihrem im März vorgestellten Wehrbericht wird als Negativbeispiel unter anderem die Südpfalz-Kaserne in Germersheim genannt. Dort werden Soldatinnen und Soldaten der Luftwaffe ausgebildet.

Viele Gebäude, besonders Lehr- und Unterkunftsräume, seien in einem schlechten Zustand: Schimmel in Stuben und Sanitärräumen, Wasserschäden sowie Putz, der von den Wänden bröckelt. Die Sanierungskosten in der Kaserne schlagen mit mehr als 125 Millionen Euro zu Buche. Doch die geplanten Vorhaben wie der Neubau von Unterkünften und die Sanierung von Schießanlage, Material- und Munitionslagern kommen nicht voran. Mit einer Fertigstellung sei frühestens ab 2030 zu rechnen.

Für die Umsetzung solcher Bauvorhaben sind in erster Linie die Bauverwaltungen der Länder zuständig, und diese seien oft völlig überlastet, so der Wehrbericht. Die Dienststellen der Bundeswehr sind auf rund 1.500 Liegenschaften deutschlandweit verteilt, mit insgesamt über 35.000 Gebäuden.

Ein weiterer Grund für den schlechten Zustand vieler Einrichtungen: In früheren Jahren sei oft erst die Schließung von Standorten beschlossen und dann später wieder rückgängig gemacht worden. Dadurch sei nichts investiert und saniert worden.

Experte: Bürokratie lähmt Veränderungen

"Das, was man noch hat, ist ganz überwiegend in einem miserablen Zustand", attestiert auch Joachim Weber von der Universität Bonn, der sich mit Sicherheitspolitik beschäftigt. Hauptproblem sei die oft überbordende deutsche Bürokratie, Vorschriften und Bestimmungen lähmten dringend notwendige Veränderungsprozesse. Und das obwohl angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage die Zeit dränge.

Ein Jahr nachdem Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) seine Umbaupläne für die Bundeswehr vorgestellt hat, ist die Lage weiter schwierig. Zielvorgabe des Ministers war unter anderem, die Zahl der Soldatinnen und Soldaten bis 2031 auf mehr als 203.000 zu erhöhen. Bei einer seit zehn Jahren nahezu unveränderten Truppenstärke von etwa 181.000 Soldaten ist die Bundeswehr davon jedoch weit entfernt. Der Personalstand ist laut Wehrbericht weiterhin "besorgniserregend". Nach Angaben des Reservistenverbandes fehlen allein in diesem Jahr 20.000 Soldaten.

"Wo sollen die Leute herkommen?"

Sicherheitsexperte Joachim Weber bezweifelt, dass auf Basis des jetzigen Systems eine deutliche Vergrößerung der Bundeswehr funktioniert. Er plädiert daher dafür, "irgendeine Form von Wehrpflicht wieder einzuführen". Das Modell des freiwilligen Wehrdienstes habe sich nicht bewährt. Die Bundeswehr schaffe es trotz großer Anstrengungen nicht, ausreichend Nachwuchs zu rekrutieren. Zudem sei die Zahl der Abbrecher zu hoch, viele Rekruten würden oft schon nach kurzer Zeit die Truppe wieder verlassen.

"Wenn es die vergangenen drei Jahre nicht geschafft wurde, Zehntausende von Leuten zu begeistern, in die Kasernen zu strömen, wo sollen die dann in den nächsten Jahren herkommen", so Weber.

Die Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht hat inzwischen wieder Fahrt aufgenommen. Angestoßen von Pistorius, der gerne Verteidigungsminister bleiben würde. Zwar schließt der Koalitionsvertrag von Union und SPD die Wehrpflicht zumindest "vorerst" aus und präferiert einen Wehrdienst auf freiwilliger Basis, doch damit dürfte die Wehrpflicht nicht endgültig vom Tisch sein.

Sollte sie zu einem späteren Zeitpunkt doch kommen, warte damit "die nächste Herkulesaufgabe auf die Bundeswehr", glaubt Joachim Weber. Das ganze System, welches dafür gebraucht werde, sei abgebaut worden: Wehrerfassung, Verwaltung bis hin zur Kasernierung einer größeren Anzahl von Menschen. Auch fehlten Ausbilder für die vielen Rekruten. Für den Neuaufbau brauche es viel Zeit und Geld.

Reaktivierung von Standorten?

Mit ihren derzeitigen Kapazitäten könnte die Bundeswehr jedes Jahr zusätzlich 5.000 Wehrdienstleistende aufnehmen, teilt eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums mit. Nochmal zur Erinnerung - allein dieses Jahr fehlen 20.000 Soldaten. Wenn jetzt weitere Wehrdienstleistende hinzukämen, müssten neue Liegenschaften genutzt werden und weitere Infrastruktur aufgebaut werden.

Etwa für die Unterbringung der Soldaten, deren Ausbildung und die Materialbewirtschaftung. Ob ehemalige Bundeswehr-Standorte künftig wieder militärisch genutzt werden können, also reaktiviert werden können, müsse bei Bedarf im Einzelfall geprüft werden, so das Bundesverteidigungsministerium. Dies hänge auch von den vertraglichen Bedingungen und dem jeweiligen baulichen Zustand ab. Grundsätzlich plane die Bundeswehr bis auf Weiteres keine Liegenschaften mehr abzugeben. Vielmehr sei das Ziel, die "auch flächenmäßigen Voraussetzungen für einen weiteren Aufwuchs" zu schaffen.

Im rheinland-pfälzischen Birkenfeld jedenfalls gehen die Arbeiten für den Umbau der ehemaligen Kaserne zu einem Gewerbepark und zu Wohnungen weiter. Noch im Frühjahr sollen die Bagger rollen. Teile des alten Kasernenkomplexes sollen aber erhalten und saniert werden. Die Entwicklungsgesellschaft, die das Gelände vor drei Jahren vom Bund gekauft hat, verweist auf unterirdische Bunkeranlagen, die ihrer Einschätzung nach für den Zivilschutz genutzt werden könnten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 06. April 2025 um 15:20 Uhr.