Bundesverfassungsgericht Tagelange Fesselung war rechtswidrig
Ein Straftäter in Sicherungsverwahrung war bei einem viertägigen Krankenhausaufenthalt nahezu ununterbrochen gefesselt gewesen. Das habe seine Persönlichkeitsrechte verletzt, entschied nun das Bundesverfassungsgericht.
Ein Mann in Sicherungsverwahrung hat vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen seine Fesselung während eines Krankenhausaufenthalts geklagt. Die nahezu ununterbrochen vier Tage dauernde Fesselung habe ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, erklärte das Gericht in Karlsruhe.
Der Kläger war nach zehn Jahren Haft im Februar 2020 zur Sicherungsverwahrung in die nordrhein-westfälische Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl gekommen. Gut ein halbes Jahr später musste der erkrankte Mann für eine Operation ins Universitätsklinikum Dortmund. Dort war er mit Ausnahme der Zeit in Vollnarkose 96 Stunden lang an den Händen oder an den Füßen gefesselt - bei der Voruntersuchung, im OP-Vorraum, beim Aufwachen und bei Spaziergängen mit zwei Bewaffneten.
Der Mann war dagegen gerichtlich vorgegangen. Er habe wegen der Fesselung Schmerzen gehabt und nicht richtig schlafen können. Im Liegen habe er sich nicht drehen oder die Beine anwinkeln können, weil er mit einer Fußfessel an den Bettrahmen gefesselt war.
Landgericht: Fesselung war angemessen
Das Landgericht Arnsberg hatte die Fesselung für verhältnismäßig gehalten. Weil offen gewesen sei, wie lange die Sicherungsverwahrung dauern würde, sei eine gewisse Fluchtmotivation anzunehmen. Die Situation im Krankenhaus sei unvorhersehbar gewesen, und die JVA habe noch keine Erfahrung mit dem Mann bei Transporten gehabt. Ein Sicherungsverwahrter könnte laut JVA nur dann ohne Fesseln nach draußen, wenn er schon einige Male ohne Probleme gefesselt unterwegs gewesen ist.
Daraufhin zog der Mann vor das Bundesverfassungsgericht, das nun anders entschied: Nach Auffassung der Verfassungsrichterinnen und -richter hätte das Landgericht darauf achten müssen, ob sämtliche alternative Maßnahmen ausgeschöpft wurden.
Fall muss neu verhandelt werden
So habe es hier nahe gelegen, die Zahl der JVA-Beamten zu erhöhen, um zumindest zeitweise auf die Fesseln verzichten zu können. Und es hätte berücksichtigt werden müssen, dass das vorherige Verhalten des Mannes keinerlei Anlass für Beanstandungen gab und seine Erkrankungen einen Fluchtversuch erschwert hätten. Das Landgericht muss nun neu über den Fall verhandeln.
(Az. 2 BvR 1719/21)