Bundestagswahl 2025

Olaf Scholz verlässt die Bühne einer SPD-Veranstaltung.
analyse

Bundestagswahl Das Ende einer Illusion für die SPD

Stand: 24.02.2025 00:44 Uhr

Das Wunder von 2021 wieder schaffen: Das hatten viele in der SPD und vor allem Kanzler Scholz im Wahlkampf erzählt. Geglaubt haben sie es am Ende selbst nicht. Jetzt müssen sie mit dem schlechten Ergebnis leben.

Eine Analyse von Nicole Kohnert, ARD-Hauptstadtstudio

Es waren nur wenige zur Wahlparty der Sozialdemokraten gekommen. Die Bierbänke vor dem Willy-Brandt-Haus blieben weitestgehend leer. Die Kälte draußen, aber auch die Stimmung in der Partei nach dem Winterwahlkampf hat dazu geführt, dass viele Genossinnen und Genossen wohl fern blieben.

Diejenigen, die da waren, schauten frustriert auf das schlechte Ergebnis der SPD. "Katastrophal", "einfach nur mies", sagten altgediente Genossen. Ihr Frust war deutlich zu merken. "Die Parteivorsitzenden sollen jetzt zurücktreten, es braucht einen Neuanfang", fordert SPD-Mitglied Stefan Stader. Die Partei könne nicht so weitermachen, stimmt ihm Partei-Genosse Wolfgang Muß zu.

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Der Ärger ist den Sozialdemokraten bei der Wahlparty anzusehen. Bis zum letzten Moment haben die Genossen gekämpft, damit sie die Gruppe der unentschlossenen Wähler noch von sich überzeugen können. Haustür-Wahlkampf nannten sie es - oder auch "Handarbeit". Die Genossen rannten von Tür zu Tür und drückten ihre Flyer den Wählerinnen und Wähler in die Hand.

Konfrontiert waren sie vor Ort mit den wahren Problemen: Zu hohe Mieten, zu hohe Preise an der Supermarktkasse, zu hohe Energiepreise. Doch so sehr die Sozialdemokraten auch immer wieder von ihren Entlastungsplänen erzählten, wie sehr sie betonten, dass sie den "Fleißigen", der "Mitte der Gesellschaft" helfen wollen - am Ende konnten sie die Wählerinnen und Wähler nicht überzeugen.

Bei den klassischen SPD-Themen wie soziale Gerechtigkeit oder Rente konnten sie nicht punkten. An der SPD haftet der ständige Streit in der Ampelkoalition, in der die Partei auch ihre sozialdemokratischen Versprechen nicht durchsetzen konnten.

Auf den falschen Kandidaten gesetzt

Zu sehr haftet die schlechte Bilanz der Ampelkoalition auch an Olaf Scholz, der als Kanzlerkandidat weiter das Gesicht der SPD im Wahlkampf war. Er turnte zwar durch jedes erdenkliche Hörfunk-, Fernseh-, Podcast-, YouTube-Format, um auch bei jüngeren Wählerinnen und Wähler anzukommen und sich am Ende nicht vorwerfen zu lassen, dass er nicht präsent genug war.

Doch die vergangenen drei Jahre von Olaf Scholz wurden offensichtlich bei dem einen oder anderen nicht vergessen. Die Beliebtheitswerte von Scholz wollten einfach nicht steigen.

Das schlechte Ergebnis der SPD geht an diesem Abend vor allem mit Olaf Scholz nach Hause. Aber auch die Parteispitze wird sich in den kommenden Tagen viel anhören müssen. Hinter der SPD liegt ein Streit, mit welchem Kanzlerkandidaten die Partei am besten in den Wahlkampf zieht: Olaf Scholz oder der nach Umfragen beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Fast eine Woche lang ließ die Parteispitze diese Debatte laufen. In der Zeit schrieben Ortsvereine an die SPD-Zentrale und forderten eine Mitgliederbefragung für die Aufstellung des Kanzlerkandidaten. Briefe aus dem SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen erschienen mit der Frage, was die beste politische Aufstellung für diese Bundeswahl sei. Man höre viel Zuspruch für Boris Pistorius.

Am Ende musste Boris Pistorius selbst die Diskussion mit einem Video beenden und sich hinter Olaf Scholz stellen. Doch am Abend spürt man schon den Unmut bei einigen Sozialdemokraten, warum man diese Entscheidung am Ende getroffen hat. Für so manchen Abgeordneten bedeutet das nun, aus dem Bundestag zu fliegen, für die Partei, dass sie enorm an Einfluss verliert.

Das Wunder von 2021, bei dem viele neue SPD-Abgeordnete überraschend in den Bundestag einzogen, gibt es nicht mehr. Stattdessen verlieren zum Teil altgediente Sozialdemokraten ihren Mandat - gegen die CDU, aber auch gegen Kandidatinnen und Kandidaten der AfD.

Wie es mit der SPD nun weitergeht

Die schlimmste Befürchtung der Sozialdemokraten blieb aus - mit ihrem Ergebnis hinter den Grünen zu liegen. Knapp liegen sie vor ihnen und sind zumindest an dieser Stelle mit einem blauen Auge davon gekommen.

In einer Sondersitzung des SPD-Präsidium beriet die Spitze noch am Wahlabend, wie es weitergeht. Klar ist: Olaf Scholz ist Geschichte, die Zeit der Parteivorsitzenden ist gekommen. Sie müssen nun schauen, wie schnell sie mit dem Wahlsieger Friedrich Merz in Verhandlungen gehen über eine mögliche schwarz-rote Koalition.

Eine Personalentscheidung ist bereits gefallen - die betrifft den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil, der bereits am frühen Wahlabend von einem "Generationenwechsel" gesprochen hatte, den die SPD nun vollziehen müsse. Klingbeil soll Fraktionsvorsitzender werden. Das Parteipräsidium habe ihn vorgeschlagen, am Mittwoch wolle er sich zur Wahl stellen, sagte er in den tagesthemen. Sein Amt als Parteivorsitzender will er behalten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 23. Februar 2025 um 22:30 Uhr.