Lindner im ARD-Sommerinterview "Für uns zählen Inhalte"
Wenn es nach FDP-Chef Lindner geht, wird er nach der Bundestagswahl Finanzminister in einer schwarz-gelben Koalition. Im ARD-Sommerinterview machte Lindner keinen Hehl aus seiner Skepsis gegenüber einer Ampel.
FDP-Chef Christian Lindner geht nach eigener Aussage davon aus, dass die nächste Bundesregierung erneut unionsgeführt sein wird. "Nach meiner Erwartung hat sich bereits geklärt, wer in das Kanzleramt einziehen wird", sagte Lindner im ARD-Sommerinterview. "Ich sehe es als nahezu gesichert an, dass der Regierungsbildungsauftrag an die CDU geht." Die jetzt noch offene Frage sei, wer wichtige Rollen innerhalb der Regierung übernehmen werde.
Lindner bekräftigt Interesse am Finanzministerium
Lindner erneuerte in diesem Zusammenhang seine Bereitschaft, das Amt des Bundesfinanzministers zu übernehmen. Die Frage sei, "soll das ein Robert Habeck von den Grünen sein - er will die Schuldenbremse aufweichen, er will die Steuern erhöhen, er hat eine Orientierung nur auf öffentliche Investitionen -, oder soll das ein Minister der FDP sein?" Er sei bereit, das Amt zu übernehmen, so Lindner: "Mit dem Respekt vor der Schuldenbremse" und der Überzeugung, dass im Hochsteuerland Deutschland keine Steuern erhöht werden sollten. "Jetzt können die Menschen urteilen, was sie für das Land für die bessere Lösung halten."
Mit Blick auf Koalitionsoptionen nach der Bundestagswahl ließ Lindner durchblicken, dass er ein Zweierbündnis zwischen Union und FDP klar bevorzuge. Befragt nach der Möglichkeit einer Ampelkoalition zwischen Grünen, SPD und Liberalen, sagte Lindner: "Das ist ein fiktives Szenario." Er sehe nicht, dass es rechnerisch oder von den politischen Inhalten her ausreichend Gemeinsamkeiten für ein Ampel-Bündnis gebe: "Mir fehlt die Fantasie, welches inhaltliche Angebot Annalena Baerbock der FDP machen könnte, das attraktiver wäre als die Angebote, die vor vier Jahren Frau Merkel gemacht hat." Hier könnten sich die Menschen auf die FDP genauso verlassen wie vor vier Jahren: "Für uns zählen Inhalte, und nicht Positionen und Karrieren."
Ungeachtet dessen seien die Liberalen bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen, erklärte der Parteichef. "Die Aufgaben, die in den kommenden Jahren vor uns liegen, sind enorm", so Lindner. Es gehe um die Bewältigung des Klimawandels und um die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. "Dabei müssen unsere freiheitliche Lebensweise, müssen Wohlstand und Arbeitsplätze erhalten bleiben." Die Demut vor diesen Aufgaben sei groß, aber gleichzeitig habe er die Bereitschaft, diese Herausforderungen anzunehmen.
"Interesse an einer Ampel-Diskussion"
"Wir haben uns koalitionspolitisch noch nicht festgelegt, wie wir in diesen Wahlkampf hineingehen", erklärte Lindner. Alle drei Kanzlerkandidaten - Grünen-Spitzenkandidatin Baerbock, CDU-Kandidat Armin Laschet und Olaf Scholz von der SPD - hätten ein Interesse an einer Ampel-Diskussion. "Frau Baerbock, weil: Sie will im Spiel bleiben. Herr Scholz, weil: Nur so bleibt er im Spiel. Und die CDU, weil: Mit der Angst vor der Ampel und einem angeblichen Linksruck wollen die ja Wahlkampf gegen die FDP machen." Dabei sei die entscheidende Frage 60 Tage vor der Wahl: "Schwarz-Grün oder Jamaika?"
Die Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele erklärte im Anschluss an das Interview, sie habe ein Nein zu einer Ampelkoalition klar aus Lindners Äußerungen herausgehört. "Schwarz-Gelb ist die klare Wunschkoalition", so Römmele auf tagesschau24. Gleichzeitig blinke Lindner in Richtung Jamaika: Ein solches Bündnis zwischen Union, Grünen und FDP seien für die Liberalen unter einem Bundeskanzler Laschet klarer vorstellbar als vor vier Jahren unter Angela Merkel.
Den Klimawandel "wirtschaftlicher" machen
Bei den wichtigen politischen Themenfeldern - Klima- und Rentenpolitik, die Bewältigung der Corona-Folgen und dem Wiederaufbau nach der Hochwasserkatastrophe -, bemühte sich Lindner im ARD-Sommerinterview um die Schärfung des liberalen Profils seiner Partei.
So stellte Lindner klar, dass man Finanz-. Wirtschafts- und Klimapolitik nicht isoliert von einander betrachten könne: "Ich weiß, dass manche Parteien den Klimaschutz isolieren wollen von der wirtschaftlichen Grundlage. Manche wollen auch die sozialen Ziele unserer Gesellschaft isolieren von der wirtschaftlichen Grundlage. Wir sagen, die wirtschaftliche Grundlage ist die Voraussetzung für alle sozialen und wirtschaftlichen Ziele. Und deshalb muss unser Land für private Investitionen auch in neue Technologie attraktiv werden."
Angesprochen auf den Klimaschutz und die in diesem Zusammenhang angestrebte Verkehrswende in Deutschland widersprach Lindner allerdings der Darstellung, die FDP halte am Verbrenner fest. Die FDP habe "keine Vorliebe für irgend einen Antrieb", so der Parteichef. "Wir sagen, wir wollen ein festes CO2-Limit in unserem Land haben, aber wie dann dieses Budget, das streng limitiert ist, verteilt wird, das möchten wir gerne marktwirtschaftlich entscheiden, das soll in der Konsumenten-Souveränität stehen." Dadurch werde der Klimawandel wirtschaftlicher gemacht. Lindner hob in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von sogenannten Eco Fuels hervor, also synthetischen Treibstoffen: Auf diese Weise könne der Verbrennungsmotor klimaneutral betrieben werden.
Politikwissenschaftlerin Römmele sieht darin das klare Bekenntnis Lindners zum Wahlprogramm der FDP, das für eine Entfesselung der Wirtschaft stehe. "Herr Lindner hat ganz klar gemacht, dass Klimawandel, Umweltpolitik nur auf der Grundlage einer gesunden Wirtschaft stattfinden kann", so Römmele bei tagesschau24. Dabei gebe es gesamtgesellschaftlich längst die Diskussionen darüber, "dass nur das Umdenken im Klimawandel letztendlich langfristig Wohlstand bedeutet".
Profilschärfung in der Pandemie
Mit Blick auf die Corona-Krise und die Bewältigung der Pandemiefolgen reihte sich Lindner erwartungsgemäß in die Riege jener Politiker ein, die für ein Ende der Beschränkungen und gegen eine Impfpflicht beziehungsweise Einschränkungen für Nicht-Geimpfte sind, und kritisierte jene, die eine vorsichtigere Vorgehensweise bevorzugen. "Es zeigt sich, dass auch nach so vielen Monaten der Pandemie und der Freiheitseinschränkungen bei manchen unserer Kolleginnen und Kollegen, die Sensibilität für Grundrechte, für die Grundfreiheiten der Menschen nicht hinreichend ausgeprägt ist", kritisierte Lindner.
Auch die sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen von Lockdowns würden unterschätzt. "Um es konkret zu sagen: Wenn von Geimpften, Genesenen und negativ Getesteten kein Risiko ausgeht, dann kann man für Genesene, Geimpfte und negativ Getestete auch keine Freiheitseinschränkungen mehr vorsehen." Für sie müsse ein Lockdown ausgeschlossen sein.
Politologin Römmele attestierte der FDP im Zusammenhang mit dem Pandemie-Management, die Partei habe ihr Profil als liberales Momentum der Bundespolitik schärfen können. "Die FDP hat gerade in Corona-Zeiten eine sehr ausbalancierte Oppositionspolitik gemacht", so Römmele auf tagesschau24. "Sie war als Oppositionspartei auch deutlich hörbarer als beispielsweise die Grünen." Die FDP habe es geschafft, ihren Markenkern, "das Thema Freiheit und Bürgerrechte wieder über Corona in den Vordergrund zu stellen".