Münchner Sicherheitskonferenz Zum Start ein Schock - dann viel Ratlosigkeit
Die 60. Münchner Sicherheitskonferenz ist zu Ende - dominiert von den Themen Ukraine und Nahost. Welche Eindrücke bleiben? Wie geht es mit dem Treffen weiter? Eine Analyse in fünf Punkten.
Das dominante Thema: Russland und Ukraine
Es begann mit einer Schocknachricht - vom Tod des Putin-Kritikers Alexej Nawalny. Ein düsterer Auftakt für die 60. Sicherheitskonferenz, zumal Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja in München war und bemerkenswert gefasst ans Rednerpult trat.
Die Nachricht blieb als dunkle Wolke über der Konferenz hängen. Dass der russische Präsident Wladimir Putin die Verantwortung für Nawalnys Tod trägt, war Konsens unter den Konferenzteilnehmern. Selbst der Zeitpunkt der Todesnachricht sei kein Zufall, sagte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko.
Der Tod Nawalnys mag der europäischen und amerikanischen Öffentlichkeit noch deutlicher vor Augen führen, mit wem es die Ukraine - und der Westen - mit Putin als Gegner zu tun haben. Doch eine einheitliche, überzeugende Reaktion des Westens fehlte in München.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte erneut mit dramatischen Worten mehr Hilfe, mehr Waffen, mehr Munition. "Fragt nicht die Ukraine, wann der Krieg enden wird. Fragt euch selbst", sagte er.
Doch auch nach dieser Sicherheitskonferenz bleibt der Eindruck: Fallen die USA als wichtigstes Unterstützerland der Ukraine künftig aus, weil die Republikaner im US-Kongress neue Hilfen dauerhaft blockieren, ist die Lücke enorm groß. Zu groß für Europa, um sie zu füllen.
Der unsichtbare Gast: Donald Trump
Neben Wladimir Putin war er der zweite unsichtbare Konferenzgast, der die Debatten prägte: Donald Trump. Er hat nicht nur die Zustimmung der Republikaner zu weiteren Ukraine-Hilfen der USA bisher verhindert. Trumps Drohung wirkt, NATO-Ländern, die zu wenig für Verteidigung ausgeben, die Beistandsgarantie der USA zu entziehen. Die Senatoren und Kongressabgeordneten aus den USA, vor allem der republikanischen Partei, gehörten zu den begehrtesten Gesprächspartnern in München. Doch die öffentlichen Auftritte zweier Senatoren waren ernüchternd.
Pete Ricketts, Republikaner aus Nebraska, ist eigentlich ein Befürworter von Ukraine-Hilfen. Doch er wand sich in München mit dem Argument, Demokratie sei manchmal eben chaotisch und langwierig, die Ukraine-Entscheidung im Kongress brauche ihre Zeit. In den USA sei zudem das Hauptproblem, dass täglich Tausende Migranten von Mexiko aus über die Grenze kämen. In Wahrheit fürchtet Ricketts wie viele andere Republikaner die Macht Trumps und dessen mögliche Rache an jenen in der Partei, die sich gegen ihn wenden.
J.D. Vance, Trump-Verehrer aus Ohio, sagte es direkter: Die USA sähen China als Hauptherausforderung der Zukunft, Taiwan brauche dringend Unterstützung. Auch Israel müsse mit Geld und Waffen unterstützt werden. Also könne sich Amerika keine weitere Ukraine-Hilfe leisten, so die Schlussfolgerung. Und Putin, sagte Vance in erschreckender Naivität, sei ja nur einer von vielen Bösewichten weltweit.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren nicht in München dabei war ein weiterer Republikaner: Lindsey Graham, Senator aus South Carolina. Er hatte bis vor kurzem vehement für die Unterstützung der Ukraine argumentiert. Jetzt sagte er die Reise nach München kurzfristig ab und begab sich demonstrativ an die Grenze zu Mexiko. Auch Graham küsst im übertragenen Sinn den Ring des politischen Paten Donald Trump.
Zeitenwende in Deutschland? Eher zögernd
Bundeskanzler Olaf Scholz hat in München einmal mehr an die europäischen Partnerländer appelliert, ihre Unterstützung der Ukraine zu verstärken. Mit Blick auf Skepsis in Deutschland selbst sagte Scholz: "Dieser Krieg mitten in Europa verlangt uns einiges ab. Geld, das wir jetzt und in Zukunft für unsere Sicherheit ausgeben, fehlt uns an anderer Stelle."
Doch er betonte auch: "Ohne Sicherheit ist alles andere nichts." Exemplarische Sätze für die deutsche Position. Es bewegt sich etwas, doch die Realität sickert nur sehr langsam ein.
Offiziell ist das Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, in diesem Jahr erreicht. Doch offenbar nur mit Hilfe einiger Rechentricks, wie auf den Konferenzfluren in München bestätigt wurde. Und wie der Anspruch von Verteidigungsminister Boris Pistorius, bald drei Prozent oder mehr zu erreichen, erfüllt werden soll, blieb auch an diesem Wochenende offen.
Immerhin drückten CDU- und Unionsfraktionschef Friedrich Merz und der Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck in Interviews überraschende Einigkeit aus: Ganz abgesehen von der Frage, ob Trump wieder US-Präsident werde, müsse Deutschland, müssten die Europäer deutlich mehr für Verteidigung tun - und auch die Rüstungsindustrie auf Vordermann bringen.
Austausch ohne Fortschritt: Nahost
Der Krieg in Gaza war neben der Ukraine das zweite große Thema der Konferenz. Die Bilanz ist hier schnell gezogen - und wiederum ernüchternd: Es gab zahlreiche Treffen, auch zwischen Gesprächspartnern, die sonst eher nicht miteinander reden, etwa zwischen dem israelischen Präsidenten Izchak Herzog und dem Regierungschef des Vermittlerlandes Katar, Mohammed al-Thani.
Für Konferenzleiter Christoph Heusgen war das ein "Silberstreif am Horizont". Doch konkrete Fortschritte in Richtung Feuerpause, neuem Geiselabkommen, gar in Richtung des vielbeschworenen Fernziels Zweistaatenlösung gab es nicht.
60 Jahre: Wohin steuert die Sicherheitskonferenz?
Die frühere "Wehrkundetagung" hat sich stark verändert, sie ist größer geworden, hat den Teilnehmerkreis, den Sicherheitsbegriff, das Themenspektrum stark erweitert.
Der "Globale Süden" ist in diesem Jahr als neuer Schwerpunkt dazugekommen. Ein wichtiges Thema, auf welche Seite sich die früher als "Dritte Welt" bezeichneten Länder schlagen, die Seite des Westens oder die Seite Russlands und Chinas.
Doch es stellt sich für das Format der Konferenz die Frage: Wäre in Zukunft weniger mehr? Wenige Schwerpunkte, die vertieft werden, weniger Teilnehmer, also Fokussierung?
Dass die Konferenz an sich sinnvoll ist, dass sie als weltweit wichtigstes Forum für Sicherheitspolitik auch Deutschlands internationalen Einfluss stärkt - das steht außer Frage. Selbst wenn vielen Teilnehmern in diesem Jahr am Ende eher Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben stand.