Nach Urteil in Leipzig Regeln für Kirchenasyl entschärft
Das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration lockert seinen Umgang mit dem Kirchenasyl. Dabei geht es um Fristen, innerhalb derer die Zuständigkeiten für die Asylsuchenden von anderen EU-Staaten auf Deutschland übergeht.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) rückt von der zuletzt restriktiven Praxis gegenüber Kirchenasylen wieder ab. Wie die Behörde in Nürnberg mitteilte, werden Schutzsuchende im Kirchenasyl nicht länger als "flüchtig" angesehen, wenn ihr Aufenthaltsort bekannt ist.
Demnach gilt für Flüchtlinge im Kirchenasyl im sogenannten Dublin-Verfahren künftig wieder eine reguläre Frist von sechs Monaten für eine Überstellung. 2018 hatte die Innenministerkonferenz den Zeitraum auf 18 Monate verlängert. Diese Ausweitung hatte Kirchenasyle nahezu unmöglich gemacht.
Gericht zweifelte Praxis an
Damals ging es um Dublin-Fälle im Kirchenasyl, also Schutzsuchende, für deren Aufnahme und Verfahren eigentlich ein anderer EU-Staat zuständig wäre. Wird eine Überstellung innerhalb eines halben Jahres nicht realisiert, geht die Zuständigkeit automatisch zu den deutschen Behörden über.
Um das "Aussitzen" der Frist zu erschweren, entschieden sich die Innenminister 2018 für die Verlängerung. Grundlage dafür war eine Regelung in der Dublin-Verordnung, die eine Frist-Verlängerung erlaubt, wenn der Asylbewerber als "flüchtig" gilt. Nach Aussage der Kirchen wurde die Fristverlängerung für Kirchenasyle nach dem Beschluss der Innenminister zum Regelfall.
Diese Auslegung verwarf das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig aber am 8. Juni 2020 in letzter Instanz als rechtswidrig. Demnach können Menschen im Kirchenasyl, deren Aufenthaltsort den Behörden bekannt ist, nicht länger als "flüchtig" betrachtet werden.
Hoffnung auf Verständigung
Diesen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts sowie weitere obergerichtliche Rechtsprechung würden nun umgesetzt, sagte ein Sprecher des BAMF. Er betonte aber auch, dass ein Kirchenasyl zu verlassen sei, wenn die Behörde entscheidet, dass kein besonderer, individueller Härtefall vorliege.
"Die Einhaltung dieser Grundregeln ist essenziell, um die Akzeptanz des Kirchenasyls bei Behörden, Gerichten und Öffentlichkeit aufrechterhalten zu können und weiter zu stärken", sagte er.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" begrüßte die Ankündigung des Bundesamts. Die Vorstandsvorsitzende, die Hamburger Pastorin Dietlind Jochims, sprach von einem "überfälligen Schritt". Jochims sagte, sie hoffe nun auf eine "Rückkehr zu einer lösungsorientierten Verständigung über humanitäre Härtefälle". Auch bereits erfolgte Fristverlängerungen bei laufenden Kirchenasylen müssten zurückgenommen werden
506 Menschen wollten Kirchenasyl
Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gingen nach dessen Angaben im vergangenen Jahr 355 Kirchenasylmeldungen für 506 Personen ein. Einen Höchststand erreichten Kirchenasyle im Jahr 2016 im Zuge der großen Fluchtbewegung. In dem Jahr suchten nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft «Kirche und Asyl» mehr als 1.000 Menschen, deren Asylgesuch abgelehnt worden war, Schutz in Gemeinden.