Jahrestag des Hamas-Massakers "Wir stehen an eurer Seite"
Außenministerin Baerbock hat vor dem Jahrestag des Hamas-Massakers in Israel die deutsche Solidarität bekräftigt. Deutschland stehe weiterhin an der Seite Israels. Zentralratspräsident Schuster warnt vor einem verfestigten Judenhass.
Außenministerin Annalena Baerbock hat das Hamas-Massaker vor einem Jahr als Einschnitt in der jüdischen und in der deutschen Geschichte bezeichnet. Der 7. Oktober 2023 sei für Jüdinnen und Juden eine Zäsur, nach der es nur ein "davor" und "danach" gebe, schrieb die Grünen-Politikerin in einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag. "Auch für uns in Deutschland ist der 7. Oktober eine Zäsur."
Es beschäme sie, dass sich seitdem Jüdinnen und Juden auch in Deutschland unsicherer fühlten und dass antisemitische Angriffe zugenommen hätten - und dass iranische Raketen gegen den Staat Israel auf deutschen Straßen gefeiert würden. "Wir stellen uns dem entgegen. Mit der ganzen Härte des Gesetzes", betonte Baerbock. An die Menschen in Israel gerichtet sagte sie: "Wir stehen an Eurer Seite. Eure Sicherheit ist Teil unserer Staatsräson. Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung. Gegen die Gewalt der Hamas genauso wie gegen den Raketen-Terror des Iran und der Hisbollah."
Schuster: "Ein neuer Tiefpunkt der Menschlichkeit"
Der Zentralrat der Juden hat angesichts der angekündigten anti-israelischen Proteste vor dem Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober einen realistischen Blick auf den verfestigten Judenhass in Deutschland gefordert. "Die Jubelszenen auf deutschen Straßen nach dem Raketenangriff des Iran auf Israel sowie die Aufrufe zu offenen Israel-Hass-Protesten rund um den Jahrestag des Hamas-Terrors vom 7. Oktober sind in unserer Gesellschaft", sagte Zentralrats-Präsident Josef Schuster dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
"Wer angesichts des Jahrestags dieses grausamen Anschlages nicht in der Lage ist, wenigstens ein Stück Empathie für Jüdinnen und Juden, für die Menschen Israels, zu empfinden, der wird es nie tun - und der hat ein gewaltiges Problem", betonte der Zentralratspräsident. "Wenn wir das in Deutschland nicht klar erkennen und benennen, dass es diese Menschen unter uns gibt, dann haben wir alle ein gewaltiges Problem", sagte Schuster. "Dann droht unsere offene Gesellschaft, in der die Würde des Menschen über allem steht, zu fallen."
Historiker kritisiert israelische Politik
Im Deutschlandfunk sprach der israelische Historiker Moshe Zimmermann von einer "Krise des Zionismus in Israel". Der Hamas-Angriff habe gezeigt, dass dieser sein Versprechen nicht eingehalten habe, Juden in Israel mehr Sicherheit zu ermöglichen als in der Diaspora. Statt sich um die Befreiung der israelischen Geiseln im Gazastreifen zu bemühen, habe Israels Führung Rache und Vergeltung gegen die Hamas zur obersten Priorität erhoben.
Der Historiker bezeichnete den gegenwärtigen Nahostkonflikt als Ergebnis einer Radikalisierung auf beiden Seiten. Für das Scheitern des Friedensprozesses macht er sowohl die "Hamas und andere Terroristen auf der palästinensischen Seite" als auch "Siedler und rechtsgerichtete Israelis" verantwortlich.
Mit Blick auf das Vorgehen gegen Antisemitismus in Deutschland kritisierte Zimmermann die Pläne für eine entsprechende Resolution des Deutschen Bundestages, über die seit knapp einem Jahr kontrovers diskutiert werden. Zimmermann sagte, die darin vorgesehene Definition des Antisemitismus berücksichtige nicht die Unterschiede zwischen antisemitischen Haltungen und Aussagen zur israelischen Politik.
Viele Kundgebungen zum Jahrestag
In Deutschland soll auf mehreren Kundgebungen an das Hamas-Massaker in Israel erinnert werden, das sich an diesem Montag zum ersten Mal jährt. Es wird auch zu zahlreichen Demonstrationen aufgerufen, die gegen den Gaza-Krieg protestieren - vor allem in Berlin wird dabei mit antisemitischen Botschaften gerechnet. Die Polizei stellt sich zum Jahrestag am 7. Oktober auf einen Großeinsatz mit rund 2000 Polizisten ein, hieß es.
Bereits am Samstag erinnerten Hunderte Menschen in Berlin mit Kundgebungen und Demonstrationen an das Hamas-Massaker in Israel und den Gaza-Krieg. Weit über 1.000 Menschen beteiligten sich laut Polizei an einem propalästinensischen Protestzug, rund 650 kamen zu einer proisraelischen Versammlung. Ein Polizeisprecher bezeichnete den Verlauf insgesamt als "weitestgehend störungsarm".
Auch in Hamburg versammelten sich Hunderte Demonstrierende und protestierten gegen den Gaza-Krieg.
Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen mehr als 1.200 Menschen in Israel getötet und etwa 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser für den Gaza-Krieg, in dem nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher rund 42.000 Palästinenser getötet wurden.
Seit einigen Wochen sind auch die Auseinandersetzungen zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz im Libanon eskaliert. Befürchtet wird, dass die ganze Region in einen folgenschweren Krieg verwickelt werden könnte.