Wohin mit dem Atommüll? Endlagersuche - eine Reifeprüfung
Die Suche nach einem Endlager für Atommüll ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zukunftsfragen im Konsens zu lösen - für die Demokratie kann das eine Reifeprüfung sein.
Ein Endlager für hochradioaktive Abfälle - Jubel löst das nicht aus. Nirgendwo. Aber: Für die gefährlichen, hoch strahlenden Atom-Hinterlassenschaften braucht es eine Lösung. Verantwortungsvoll und ohne Schaum vor dem Mund.
Das ist schwierig, und die ganze Debatte um ein Atommüll-Endlager ist damals in den 1980er-Jahren extrem schlecht gestartet. Als Niedersachsens damaliger Ministerpräsident Ernst Albrecht plötzlich Gorleben zur Endlagerstätte erklärte. Was für ein Fehler. Der Aufstand danach ist legendär, die "Freie Republik Wendland" ein Meilenstein in der bundesrepublikanischen Protestkultur. Wo Ökos und Wendland-Bauern gemeinsam klar machten: Hier nicht. So nicht.
Der Start der Endlagersuche war also komplett vermasselt - weder transparent noch demokratisch. Daraus hat die Bundespolitik zum Glück gelernt. Sie hat den Prozess von Grund auf neu aufgerollt. Es wurde beschlossen, dass der strahlende Müll in Deutschland bleibt. Er wird weder ins Ausland exportiert noch ins Weltall geschossen. Deutschland muss sich selbst um die dreckigen Atom-Hinterlassenschaften kümmern. Und zwar nach zwei Prinzipien: Wissenschaftlichkeit und Transparenz. Das ist neu und gut.
Die "weiße Landkarte"
Zunächst geht es rein wissenschaftlich um geologische Gegebenheiten. Wo liegen die passenden Gesteinsarten in ausreichender Tiefe und Dicke, wo ist der Untergrund geeignet, und wo nicht? Politisch wurde nichts ausgeschlossen auf dieser bisher "weißen Landkarte". Und zweitens werden nun die Bürger beteiligt. Die dafür zuständigen Behörden, Gesellschaften und Ministerien überbieten sich mit Infomaterial, es gab und gibt immer wieder öffentliche Anhörungen, ein "Nationales Begleitgremium" mit unabhängigen Expertinnen und Experten unterstützt den Prozess. Viel mehr kann man nicht verlangen. In keinem anderen Land ist die Endlagersuche so transparent wie in Deutschland.
Das Problem dabei: Bisher interessiert es kaum jemanden. Solange keine konkreten Standorte benannt werden - und das wird noch eine Weile so bleiben - ist die erwünschte Bürgerbeteiligung mau. Sobald es dann aber nur noch wenig geeignete Orte gibt, sobald Namen fallen, wird der Proteststurm einsetzen. Hier nicht! Geht nicht! Wollen wir nicht! Das wird wohl auch ein vorbildlich transparenter Prozess nicht verhindern.
Die Rechnung für den billigen Atomstrom
Die Frage ist jetzt: Wie verantwortlich und demokratisch geht die Gesellschaft mit dem Problem Atommüll um? Lange wurde der scheinbar billige Atomstrom genossen - jetzt kann man sich nicht wegducken, wenn die Rechnung dafür serviert wird.
Damit die Beendigung des Kapitels Atomkraft in Deutschland besser läuft als der Start, muss es eine Einigung über das Verfahren geben, auch wenn es schmerzt. Demokratisch und im Einklang mit den technischen Gegebenheiten. Das ist nicht trivial und erfordert Verantwortungsbewusstsein, und im Zweifel auch das Vermögen, Eigeninteressen zurückzustellen.
Politik kann nur den Rahmen liefern
Es ist eine gesellschaftliche Frage, zu der die Politik nur den Rahmen liefern kann. Das hat sie getan, auf eine unaufgeregte Art und Weise. Mit Entschlossenheit und Kompromissbereitschaft muss die Gesellschaft das Thema jetzt schnell angehen. Das wird nicht einfach in einer Zeit, wo Populisten einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen. Aber die wirklich wichtigen Zukunftsfragen im weitgehenden Konsens zu lösen - das kann für die Demokratie eine Reifeprüfung sein.
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