Kabinett billigt Atomausstieg bis 2022 Der Einstieg in den stufenweisen Ausstieg
Das Bundeskabinett hat das sofortige Aus für acht Atomkraftwerke und den stufenweisen Atomausstieg bis 2022 gebilligt. Damit steht den Beratungen in Bundestag und Bundesrat nichts im Wege. Konflikte zwischen Bund und Ländern könnte es bei der Zuständigkeit für einen beschleunigten Netzausbau geben.
Das Bundeskabinett hat die Gesetze für den geplanten Atomausstieg gebilligt und damit den Weg frei gemacht für weitere Beratungen von Bundestag und Bundesrat. Kern ist das Atomgesetz, in dem die stufenweise Abschaltung aller Atomkraftwerke bis 2021/2022 festgeschrieben und das bereits am 8. Juli endgültig verabschiedet werden soll. Bundesumweltminister Norbert Röttgen machte deutlich, dass der Atomausstieg unumkehrbar sei - ohne Vorbehalt und Revision.
Acht Meiler - die sieben ältesten und das AKW Krümmel - sind bereits abgeschaltet und sollen sofort dauerhaft stillgelegt werden. Eines von ihnen soll möglicherweise bis 2013 noch in Bereitschaft gehalten werden, falls es zu Stromengpässen im Winter kommt. Ob ein solches "Stand By"-AKW nötig ist, soll die Bundesnetzagentur in den nächsten Wochen entscheiden.
Die verbleibenden neun noch Strom produzieren Meiler sollen dann nach folgendem Zeitplan vom Netz gehen: 2015 Grafenrheinfeld (Bayern), 2017 Gundremmingen B (Bayern) und 2019 Philippsburg 2 (Baden-Württemberg), 2021 Grohnde (Niedersachsen), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Gundremmingen C (Bayern).
Als letzte Kernkraftwerke würden 2022 Isar 2 (Bayern), Neckarwestheim II (Baden-Württemberg) und Emsland (Niedersachsen) abgeschaltet werden. Die AKW-Betreiber können Reststrommengen von stillgelegten Meilern auf die noch laufenden Anlagen übertragen.
Netzausbau in vier, statt in zehn Jahren
Im Gegenzug sollen die erneuerbaren Energien massiv gefördert werden. Bis 2020 sollen sie mindestens 35 Prozent des deutschen Stromverbrauchs decken. Damit verbunden ist wiederum ein rascher Ausbau der Stromnetze, der statt in zehn nun schon in vier Jahren erfolgen soll. Unter anderem geht es darum, Strom aus Windkraft, der vor allem im Norden produziert wird, in den Süden zu transportieren, wo in den zehn Jahren bis zum endgültigen Atomausstieg die meisten Kernkraftwerke abgeschaltet werden müssen. Zudem sollen die Bürger zum Energiesparen angehalten werden.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler betonte, das neue Konzept sichere auch die Bezahlbarkeit von Energie. So sollten auch mittelständische Betriebe bei steigenden Strompreisen wegen des Atomausstiegs entlastet werden. Dafür stünden 500 Millionen Euro aus dem Energie- und Klimafonds der Regierung zur Verfügung, sagte er.
Als weitere Maßnahme sollen Energie sparende Gebäudesanierungen gefördert werden. Bundesbauminister Peter Ramsauer kündigte an, dass ab 2012 jährlich 1,5 Milliarden Euro dafür zur Verfügung gestellt würden. Zudem könnten Eigentümer zehn Prozent der Sanierungskosten von der Steuer absetzen
Rösler will einen Bundesnetzplan
Am Nachmittag befassen sich die Fraktionen in Sondersitzungen mit den Regierungsplänen zur Energiewende. Heute und am Dienstag kommen auch die Wirtschaftsminister von Bund und Ländern im schleswig-holsteinischen Plön zusammen, um über die Energiewende zu beraten.
Konfliktpotenzial zwischen Bund und Ländern liegt in der Neuausrichtung der Zuständigkeiten für den Netzausbau. Die Bundesregierung will mehr Kompetenzen, um den Ausbau schneller vorantreiben zu können.
Grüne und SPD signalisieren Zustimmung
Insgesamt zeichnet sich jedoch nach Zugeständnissen der Bundesregierung an die Länder und die Opposition ein Konsens über den Atomausstieg sowie die Energiewende ab. Die Signale aus der SPD stehen auf Zustimmung - unter Vorbehalt. Eine unverzichtbare Voraussetzung sei, dass der Atomausstieg unumkehrbar sei, sagte Präsidiumsmitglied Thorsten Schäfer-Gümbel. Natürlich könne es ein Nein geben, wenn sich herausstelle, dass dies nicht ernst gemeint sei, sagte Schäfer-Gümbel, der in der SPD für Energiefragen zuständig ist. Zudem fordern die Sozialdemokraten, dass die Gebietsmonopole der vier großen Energiekonzerne beschränkt werden müssen.
Die Grünen wollen am 25. Juni auf einem Sonderparteitag entscheiden, ob sie dem Atomausstieg zustimmen. Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, verwies im Bericht aus Berlin auf das "Kleingedruckte": Seine Parteifreunde würden sich die Details des Atomausstiegs sehr genau anschauen, sobald sie vorlägen. Entscheidend seien aber der "klare Ausstiegstermin" und die stufenweise Abschaltung der AKWs.
Kanzlerin Angela Merkel hatte sich nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima zu einer Kehrtwende in der Atompolitik entschlossen. Noch im Herbst 2010 hatten Union und FDP die Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert, der letzte Meiler wäre demnach nicht vor 2036 vom Netz gegangen.