Vereitelter Anschlag in München Täter schoss auf Konsulat und NS-Dokumentationszentrum
Nach dem mutmaßlichen Terroranschlag von München hat die Polizei weitere Details bekannt gegeben: Demnach handelte der Angreifer allein - und hatte wohl nicht nur das israelische Konsulat im Visier.
Bei dem versuchten Anschlag in München hat der Täter nach Angaben der Polizei mehrfach auf das israelische Generalkonsulat geschossen. Der 18-Jährige habe zwei Schüsse auf das Gebäude abgegeben und dabei Glasscheiben getroffen, sagte der Einsatzleiter der Münchner Polizei, Christian Huber, bei einer Pressekonferenz. Zuvor habe er versucht, von einem Parkplatz aus über ein Auto den Zaun zum Generalkonsulat zu überwinden, was ihm aber nicht gelungen sei.
Vor den Schüssen auf das Konsulatsgebäude habe der Täter bereits zwei Schüsse aus seiner Waffe auf das NS-Dokumentationszentrum abgegeben. Die Glasfassade und die Eingangstür seien dabei getroffen worden. Daraufhin sei er kurz in zwei benachbarte Gebäude eingedrungen. Darauf hätten unter anderem Blutspuren hingewiesen. Kurz danach sei es dann draußen zum Schusswechsel zwischen dem Österreicher und fünf Beamten gekommen, bei dem der junge Mann starb und zwei weitere Personen ein Knalltrauma erlitten. Insgesamt habe der Mann neun Schüsse abgegeben.
Schweizer Militärgewehr
Das von dem Mann verwendete Gewehr mit einem aufgepflanzten Bajonett sei ein "alter Karabiner", fügte der Einsatzleiter hinzu. Es habe sich aber nicht um eine "Dekowaffe", sondern ein Schweizer Militärgewehr mit "massiver Durchschlagskraft" gehandelt. Der Österreicher mit bosnischen Wurzeln sei anhand von Fingerabdrücken zweifelsfrei identifiziert, staatsschutzrelevante Erkenntnisse über ihn lägen in Deutschland nicht vor.
Im Auto des Mannes sei eine Packung gefunden worden, die 50 Schuss Munition fasst und fast leer gewesen sei. Wo der Rest der Munition geblieben sei, sei noch Gegenstand der Ermittlungen. Ein Polizist und eine Passantin hätten jeweils ein Knalltrauma erlitten, weitere Verletzte habe es nicht gegeben.
Islamistisches bzw. antisemitisches Motiv
Die Ermittler gehen Hinweisen auf ein islamistisches beziehungsweise antisemitisches Motiv des Täters nach. Das sei aufgrund der bislang vorliegenden Erkenntnisse die "Arbeitshypothese", sagte die Leiterin der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München, Gabriele Tilmann. Botschaften des Täters mit Hinweisen auf ein Motiv seien bisher nicht gefunden worden.
Grundlage für diese Arbeitshypothese seien zum einen die Erkenntnisse österreichischer Behörden, laut denen sich der 18-Jährige islamistisch radikalisiert habe, sagte Tilmann. Zum anderen deuteten Tatort und Zeit darauf hin: Der Täter habe am Jahrestag des Olympia-Attentats im Jahr 1972 auf das NS-Dokumentationszentrum und das israelische Generalkonsulat geschossen.
Vermutlich Einzeltäter
Hinweise auf Mittäter gebe es bisher zwar ebenfalls nicht. Ermittelt werden müsse dennoch, ob der Österreicher in irgendeine Art von Netzwerk eingebunden war, sagte Oberstaatsanwältin Tilmann.
Wie sich der junge Mann radikalisiert haben könnte, ist nach Auskunft von Tilmann noch nicht klar. Die österreichische Polizei habe nach Vorwürfen wegen Körperverletzung gegen ihn 2023 ermittelt und dabei herausgefunden, dass er ein Computerspiel mit Bezug zur syrischen Terrormiliz "Haiat Tahrir al-Scham" gespielt habe. Unmittelbar vor der Abfahrt nach München habe er zuhause keine leicht auffindbaren Hinweise zu seinem Motiv hinterlassen. Auch seien weder bei ihm im Auto noch in seiner Wohnung Spuren von Sprengstoff gefunden worden.
"Drastischer Anstieg dschihadistischer Aktivität"
Der Vorfall ereignete sich nur rund zwei Wochen nach dem Anschlag von Solingen, bei dem ein 26-jähriger Syrer drei Menschen getötet und mehrere verletzt hatte. In den tagesthemen warnt der Sicherheitsexperte Peter Neumann vor einer bevorstehenden Welle des Terrors. "Was wir gesehen haben, nicht erst in den letzten Wochen, sondern in den letzten Monaten, ist ein dramatischer Anstieg der dschihadistischen Aktivität - von Anschlagsplanung, von Anschlagsversuchen und auch durchgeführten Anschlägen", so Neumann. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres habe die Zahl der Aktivitäten verglichen mit dem Jahr 2020 viermal so hoch gelegen.
Die Vergangenheit habe gezeigt, "dass terroristische Wellen typischerweise mit kleineren Anschlägen anfangen und dass dann möglicherweise nach ein oder zwei Jahren die ganz großen Anschläge kommen", so Neumann.
Noch sei aber genug Zeit, die "ganz große Welle an Anschlägen" abzuwenden. Dafür müssten die Sicherheitsbehörden aber besser zusammenarbeiten. Neumann forderte in diesem Zusammenhang eine "europäische Gefährderdatei". In dieser könnten die EU-Länder sich dann über mögliche Gefährder ihrer direkten Nachbarländer informieren.