Berlin will Empfänger von EU-Agrarhilfen nicht offenlegen Geheimniskrämerei um Milliardensubventionen
Deutschland und die EU streiten um die Umsetzung einer Verordnung zur Offenlegung der Empfänger von EU-Agrarsubventionen: Die soll eigentlich am Donnerstag in Kraft treten - Berlin aber weigert sich, sie umzusetzen. Kritiker mutmaßen nun, die Regierung wolle Lobbyarbeit der Empfänger vertuschen.
Die EU-Agrarsubventionen sind ohnehin ein Streitfall: Vor allem Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder dagegen gesperrt, die Hilfen für die Landwirte zu kürzen. Im November vergangenen Jahres einigte man sich dann auf eine Kürzung von zehn Prozent - weit weniger, als die EU-Kommission gefordert hatte.
Zumindest aber sollte ab dem kommenden Donnerstag transparent gemacht werden, an wen die Milliarden genau fließen. So will es eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2006, der Deutschland damals selbst zugestimmt hatte.
Datenschutzrechtlich nicht umsetzbar?
Daraus allerdings wird jetzt zunächst einmal nichts - zumindest nicht, geht es nach Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Die hat jetzt - im Namen der Bundesregierung - der Veröffentlichung der Daten im Internet einen Riegel vorgeschoben. Die Begründung: Die deutschen Datenschutzrichtlinien ließen die Umsetzung der Verordnung nicht zu: "Transparenz ja, aber keine Verletzung der Grundrechte der Bürger", fasste eine Sprecherin Aigners die deutsche Position zusammen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen gab dagegen in einem Eilverfahren vorläufig grünes Licht für die Veröffentlichung.
Ärger mit Brüssel
Mit ihrer Haltung riskiert die Bundesregierung eine Klage aus Brüssel: Sie sei "überrascht und enttäuscht", sagte EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel. "Es geht um Steuerzahlergeld. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Menschen wissen, wofür es ausgegeben wird", sagte sie. Wenn Berlin nicht nachgibt, will Fischer Boel notfalls vor dem obersten Europagericht in Luxemburg klagen. Im äußerten Fall drohen der Bundesregierung dann empfindliche Strafzahlungen.
Kritiker vermuten Lobbyarbeit
In der Kritik noch weiter gehen Umwelt- und Verbraucherschützer: Sie halten es für einen Skandal, dass Deutschland die Daten nicht längst veröffentlicht hat - und vermuten dahinter gezielte Lobbyarbeit großer Konzerne. Denn nicht der notleidende Milchbauer profitiert in erster Linie von EU-Hilfen, sondern Massentierbetriebe, der Altadel oder Energiekonzerne. Das belegen erste Teilveröffentlichungen von Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Brandenburg: So kassierte etwa der Energiekonzern RWE für die Rekultivierung ehemaliger Braunkohlegruben 2007 mehr als 526.000 Euro von der EU.
Sieben Milliarden für wen?
Insgesamt geht es um erhebliche Summen: Die Subventionen für die Landwirtschaft machen knapp die Hälfte des EU-Budgets in Höhe von rund 116 Milliarden Euro aus. Alleine auf die Direkthilfen für Betriebe entfallen 39 Milliarden Euro, dazu kommen mehr als zwölf Milliarden für die sogenannte ländliche Entwicklung, etwa den Ökolandbau. Rund sieben Milliarden Euro flossen zuletzt nach Deutschland - ohne dass bekannt wurde, wer mit wieviel Geld gefördert wurde.