AfD-Parteitag in Essen Kein Generalsekretär, keine strengeren Regeln
Zweiter und letzter Tag des AfD-Parteitags: Einen Generalsekretär wird es vorerst nicht geben - aber vielleicht demnächst doch. Und: Parteichefin Weidel möchte den Frauenanteil in den Gremien erhöhen - ohne Quote.
Die AfD hat die Entscheidung über die mögliche Schaffung eines Generalsekretärspostens vertagt. Am zweiten Tag des Essener Parteitags entschieden die Delegierten mit 51 Prozent, einen entsprechenden Antrag in den Satzungsausschuss zu überweisen.
Ursprünglich war darin die Einsetzung eines Generalsekretärs vorgesehen, wenn die AfD nur eine alleinige Spitze hat. Der Antrag war vor dem Parteitag als möglicher Hinweis auf ein Ende der Doppelspitze zulasten von Parteichef Tino Chrupalla verstanden worden.
Nachträglich wurde der Antrag jetzt noch geändert und macht nun einen Generalsekretär auch bei zwei Parteichefs möglich. Die Delegierten hatten die Doppelspitze Alice Weidel und Chrupalla gestern mit großer Mehrheit im Amt bestätigt. Beide sind für die Einführung eines Generalsekretärs.
Weidel will mehr Frauen in AfD-Führungspositionen
Im ARD-Bericht vom Parteitag äußerte sich Weidel dazu, dass der neu gewählte Bundesvorstand neben ihr aus 13 Männern besteht und 15 von 16 Landesvorsitzenden Männer sind. Die AfD habe zwar kein Frauenproblem, und sie sei "wirklich gegen jede Quote" - aber sie wolle Frauen in der Partei dazu animieren, auch für Führungsgremien mit kandidieren, "weil ich das auch für sehr gut halte für die Gruppendynamik innerhalb von Gremien, wenn der Frauenanteil etwas höher ist als jetzt".
Frauen netzwerkten weniger als Männer, sagte Weidel weiter. Darum wolle sie sich nun kümmern, "dass ich das anfange zu sortieren, damit auch junge, talentierte, ältere, im mittleren Alter befindliche Frauen einfach mal den Mut finden zu kandidieren". Man könne also sagen, dass sie ein Frauennetzwerk gründen wolle.
Austritt aus der ID-Partei
Auf dem Parteitag wurde klar, dass die AfD aus dem europäischen Parteienverbund ID austritt. Das entschied der Bundesvorstand, nachdem ihm die Delegierten mit Zweidrittelmehrheit die Kompetenz für solche Entscheidungen gegeben hatten. Die ID - kurz für "Identität und Demokratie" - ist ein Zusammenschluss rechtspopulistischer und nationalistischer Parteien.
Die AfD war der ID-Partei erst im vergangenen Jahr beigetreten. In der ID-Fraktion im Europaparlament wiederum war sie schon vorher gewesen. Nach umstrittenen Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS hatte die Fraktion die AfD-Gruppe aber kurz vor der Europawahl ausgeschlossen. Auch die Entscheidung der AfD nach der Wahl, Krah aus ihrer Gruppe auszuschließen, brachte keine Wiederannäherung.
AfD sieht sich als "Friedenspartei"
Die Delegierten verabschiedeten zwei Resolutionen mit Positionen zu Russland, den USA und China. Die AfD verstehe sich als "Friedenspartei", heißt es in einem Text unter Überschrift "Für ein Europa des Friedens", der unter anderem vom Thüringer Landeschef Björn Höcke und dem sächsischen Landeschef Jörg Urban unterstützt wurde. In einer "multipolaren Welt des 21. Jahrhunderts" biete man allen Ländern Partnerschaft auf der Basis gegenseitigen Respekts an: "So wie wir aus unserer Tradition heraus leben wollen, sollen auch alle anderen Kulturräume und Zivilisationen das tun können."
In einer "Resolution zur Außenpolitik", die unter anderem von Weidel unterstützt wurde, wird der russische Angriff auf die Ukraine verurteilt. Die Außenpolitik verschiedener westlicher Staaten aber habe "die Eskalation in der Ukraine begünstigt".
Keine strengeren Regeln für Auslandsreisen
Strengere Regeln für Auslandsreisen Abgeordneter oder Interviews mit ausländischen Medien wird es hingegen nicht geben. Die Delegierten wollten sich nicht mit einem entsprechenden Antrag befassen. Dieser sah vor, Abgeordnete parteiintern zu bestrafen, wenn sie ohne Absprache mit der Parteispitze ausländischen Medien Interviews geben, Auslandsreisen "mit politischem Bezug" machen oder sich dort öffentlich mit Politikern treffen.
Hintergrund sind Russland-Reisen und Auftritte von AfD-Politikern auch in russischen Medien. Der bayerische Landtagsabgeordnete Florian Köhler kritisierte "Besuche bei Regionaldiktatoren oder Autokraten". Man solle sich eher auf die eigene Heimat konzentrieren, um beim Wähler nicht als Erfüllungsgehilfe fremder Staaten wahrgenommen zu werden.
Mit dem Antrag sei auch Krah gemeint, hatte es vor dem Parteitag auf Seiten der Antragssteller geheißen. Krah hatte seine umstrittenen Äußerungen zur SS im Interview einer italienischen Zeitung gemacht.
Deutlich weniger Proteste als am Samstag
Nach massiven Protesten gegen den Parteitag am Samstag blieb es am verregneten Sonntagmorgen rund um die Essener Grugahalle zunächst ruhig. An einer Mahnwache in Sichtweite der Halle nahmen nach Schätzung der Nachrichtenagentur dpa rund 150 Menschen teil.
Der Auftakt des Parteitags war dagegen von massiven Protesten Zehntausender Menschen begleitet worden. Laut Polizei gab es seit Freitagabend insgesamt 32 Gegendemonstrationen. Größtenteils verliefen sie friedlich. Immer wieder hätten aber größere Gruppen durch gewaltsame Störaktionen versucht, die Delegierten an der Teilnahme zu hindern. Es gab Rangeleien mit der Polizei, diese setzte teilweise Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Einige Delegierte wurden unter massivem Polizeischutz zu Fuß durch die aufgebrachte Menge in die Grugahalle geleitet.
Auch Demonstranten erlitten Verletzungen, etwa durch Pfefferspray. Die Anzahl der verletzten Protestierenden ist noch nicht bekannt.
In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt werden die AfD-Landesverbände von den jeweiligen Landesämtern für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem geführt, das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Bundes-AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall - eine Einschätzung, die das Oberverwaltungsgericht in Münster im Mai bestätigt hat.