Der AfD-Programmentwurf Feindbild Islam - und sonst?
Wofür steht die AfD, und was soll im ersten Parteiprogramm stehen? Zum Islam hat der Vorstand eine klare Position, ebenso in der Familienpolitik. In der Sozialpolitik soll es jetzt doch beim Mindestlohn bleiben, die Steuerpolitik ist wirtschaftsfreundlich.
Sozialpolitik
Im Vorfeld gab es gerade um den Mindestlohn sowie um die Zukunft der Arbeits- und Unfallversicherung heftige Auseinandersetzungen. Nachdem sich zunächst Mitglieder der Programmkommission für eine Abschaffung des Mindestlohns sowie eine Privatisierung der Arbeitslosen- und Unfallversicherung ausgesprochen und an die Presse "durchgestochen" hatten, gibt es nun im vorliegenden Entwurf des Vorstands eine Kehrtwende. Vielleicht war es vor allem der Zuspruch von vielen Wählern in Ostdeutschland, die um ihre soziale Existenz kämpfen müssen, dass man nun ein Ja zum Mindestlohn vorschlägt und an den sozialen Sicherungssystemen nichts groß verändern will. Hier folgt die Partei offenbar auch dem Ratschlag ihres Nestors, dem Brandenburger Partei- und Fraktionsvorsitzendem Alexander Gauland, dass die AfD eine "Partei der kleinen Leute" sein sollte.
Familienpolitik
Die AfD will "die Familie aus Vater, Mutter und Kindern als Keimzelle der Gesellschaft" verstehen. Ein Alternativ-Entwurf aus Niederbayern wird noch deutlicher. "Der Begriff 'Eltern' ist eindeutig und dauerhaft mit Mutter, Vater definiert und steht damit nicht zur Disposition."
Alleinerziehende oder im AfD-Sprachgebrauch "Einelternfamilien" als "normalen, fortschrittlichen oder gar erstrebenswerten Lebensentwurf zu propagieren" lehnt die AfD ab und will stattdessen das "Zusammenleben von Vater, Mutter und Kindern durch finanzielle Hilfen und Beratung in Krisensituationen stärken".
Die stärkere Förderung von Familien soll aus Sicht der AfD auch dazu führen, dass Deutschland durch eine höhere Geburtenrate der "deutschstämmigen Frau" keine Zuwanderung nötig ist. Allerdings ist für Petry auch klar, dass dies nicht durch neue Förderprogramme des Staates erfolgen soll, sondern durch eine steuerliche Umverteilung, auch wenn Petry das so nicht nennen will. "Wenn den Familien an Steuerlast und Abgabenlast genommen wird, dann müssen das zwangsläufig die Kinderlosen mit finanzieren."
Gleichzeitig geht es um die Rolle der Frau. Die Gleichberechtigung wird zwar nicht in Frage gestellt, "allerdings darf sie nicht dazu führen", so heißt es im Entwurf aus Niederbayern, "dass die Gesellschaft fortan nur noch die Frauen, die im Erwerbsleben stehen, wertschätzt, aber nicht jene, die ihre Rolle im Wesentlichen 'nur' als Mutter und Hausfrau" sehen. Die AfD lehnt die Frauenquote ab, weil sie "leistungsfeindlich" und "ungerecht" sei, ebenso eine "Geschlechterpädagogik", die das "klassische Rollenverständnis von Mann und Frau durch staatlich geförderte Umerziehungsprogramme in Kindergärten und Schulen systematisch korrigiert."
Steuerpolitik
Hier hat sich in den bisherigen Programmdebatten offenbar der wirtschaftsliberale Flügel durchgesetzt. Gewerbe-, Vermögens- und Erbschaftssteuer sollen abgeschafft werden. Das würde vor allem die Wirtschaft freuen. Allerdings bleibt die AfD die Antwort schuldig, wie sich dann besonders Länder und Kommunen ohne diese Abgaben finanzieren und die Forderung der AfD erfüllen sollen, die "öffentlichen Haushalte zu konsolidieren". Für den Normalbürger gibt es mit der AfD kaum Steuersenkungen, sondern nur mehr Transparenz im Steuersystem. "Die Transparenz des Steuersystems erreichen wir durch die Vereinfachung von Tarifen", so Petry gegenüber dem ARD-Hörfunk. "Das heißt, dass es für einige billiger und für andere teurer wird, wenn Ausnahme-Tatbestände abgeschafft werden."
Feindbild Islam
Schon die Überschrift des entsprechenden Kapitels gibt eine klare Richtung: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland." Eine gewagte These. Denn immerhin leben in unserem Land nach Angaben der Deutschen Islamkonferenz 5,6 Millionen Muslime und stellen damit rund sieben Prozent der Gesamtbevölkerung. Parteivize Beatrix von Storch ging sogar noch weiter. Gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erklärte sie: "Der Islam ist an sich eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist."
Damit stellt sich aber die Frage, ob die AfD für Muslime die Religionsfreiheit einschränken will, zu der sie sich gleichzeitig "uneingeschränkt" bekennt. Die Parteivorsitzenden Petry und Meuthen versuchen, die Debatte einzudämmen. "Die Mehrheit der Parteitagsbesucher wird sich zu einer klaren Aussage bekennen, zu einer Unvereinbarkeit des politischen Islam mit dem Grundgesetz, aber auch dazu, dass Deutschland natürlich eine Heimat für integrierte und friedliche Muslime ist." Und Meuthen fügt hinzu: "Wir stehen als AfD für Religionsfreiheit. Allerdings hört die Freiheit des einen dort auf, wo sie die Freiheit des anderen einschränkt. Der Islam gehört zwar nicht zu Deutschland, aber die Muslime dürfen natürlich ihre Religion bei uns ausüben, so lange sich diese Religionsausübung strikt im Rahmen unserer Gesetze und Regeln bewegt."
Einige Anträge gehen aber darüber hinaus, wenn gefordert wird, dass in Moscheen nur noch in Deutsch gepredigt werden soll. Mit einem angestrebten Verbot von Minaretten, Muezzinrufen und der Vollverschleierung von Frauen will die AfD den Islam offenbar aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängen. Möglicherweise sieht die AfD auch nach dem Rückgang des Zustroms von Flüchtlingen in einer Anti-Islam-Haltung besonders bei den anstehenden Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern auch ein gutes Wahlkampfthema.
Flüchtlingspolitik
Nach den scharfen Tönen in den vergangenen Landtagswahlkämpfen wirken nun die Aussagen im entsprechenden Kapitel eher gedämpft. Auch die AfD bekennt sich zum Asylrecht aber nur für "echte Flüchtlinge", die "unmittelbar vor ihrer Einreise echten, kriegsbedingten Gefahren ausgesetzt waren". Wer keine politische Verfolgung nachweisen kann, gilt als "irregulärer Migrant" und kann "keinen Flüchtlingsschutz beanspruchen". Ansonsten folgt die AfD weitgehend auch der derzeitigen Linie der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik, in sicheren Drittstaaten Flüchtlinge zu sammeln, wie zum Beispiel in der Türkei um dort über die Gewährung von Asyl zu entscheiden.