"linksunten.indymedia.org" Vereine verbieten - nur im Ausnahmefall
Es ist das erste Mal, dass das BMI eine linksextremistische Vereinigung verboten hat. Vereinsverbote wie jetzt im Fall von "linksunten.indymedia.org" haben hohe rechtliche Hürden.
Die Internetplattform galt als einflussreichste Webseite der linksextremen Szene in Deutschland. Seit 2009 diente das Portal, das sich selbst als "dezentral organisiertes, weltweites Netzwerk sozialer Bewegungen" beschrieb, linksradikalen und linksextremen Gruppen als Plattform für politische Texte, Bekennerschreiben zu Anschlägen, sogenannten "Outings" vermeintlicher oder tatsächlicher Rechtsextremisten und anderer politischer Gegner.
Aufrufe zur Gewalt
Entsprechende Texte und Aufrufe konnten auf "linksunten.indymedia.org" anonym publiziert werden, ohne dass die entsprechenden Absender identifizierbar gewesen wären. Der Verfassungsschutzbericht 2016 nennt die Webseite "das inzwischen wichtigste Medium des gewaltorientierten Linksextremismus".
Laut Bundesinnenministerium (BMI) wurde "die Plattform zur Verbreitung von Beiträgen mit strafbaren und verfassungsfeindlichen Inhalten" benutzt. Es sei "öffentlich zur Begehung von Gewaltstraftaten gegen Polizeibeamte und politische Gegner sowie zu Sabotageaktionen gegen staatliche und private Infrastruktureinrichtungen aufgerufen" worden - "auch im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg".
Randalierer stehen am 07.07.2017 im Schanzenviertel in Hamburg vor einer brennenden Barrikade.
Reporter ohne Grenzen: "rechtsstaatlich fragwürdig"
Die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte das Vorgehen des Bundesinnenministeriums als rechtsstaatlich gefährliche Entwicklung: "Aufrufe zu Gewalt sind inakzeptabel - sie müssen gelöscht und ihre Urheber bestraft werden. Aber Pressefreiheit gilt auch für unbequeme, ja selbst für schwer erträgliche Veröffentlichungen“, teilte Geschäftsführer Christian Mihr mit.
"Um gegen strafbare Inhalte auf linksunten.indymedia vorzugehen, hätte es weniger einschneidende Mittel gegeben", so Mihr. "Dass die Bundesregierung ein trotz allem journalistisches Online-Portal durch die Hintertür des Vereinsrechts komplett verbietet und damit eine rechtliche Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgeht, ist rechtsstaatlich äußerst fragwürdig. International ist das ein bedenkliches Signal und liefert repressiven Regimen in aller Welt einen Vorwand, es den deutschen Behörden gleichzutun."
Juristisch gesehen ein Verein
Rechtsgrundlage für das Verbot der Webseite ist ein Vereinsverbot gegen die Betreiber. Voraussetzung für das Verbot eines Vereins ist das Bestehen einer verbotsfähigen Vereinigung.
Nach dem Vereinsrecht und geltender Rechtsprechung ist "jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat" als Verein anzusehen. Auf die zivilrechtliche Anerkennung als Verein nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ("eingetragener Verein" usw.) kommt es dabei nicht an.
Klare Verbotskriterien
Da die Vereinigungsfreiheit grundgesetzlich geschützt ist, sind die Hürden für ein Vereinsverbot relativ hoch und in der Verfassung klar definiert: "Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten."
Dementsprechend begründete Bundesinnenminister Thomas de Maizière das Verbot auch damit, dass "Zweck und Tätigkeiten von 'linksunten.indymedia' den Strafgesetzen zuwider" liefen und sich "gegen die verfassungsmäßige Ordnung" richteten.
Wenig vergleichbare Fälle
Mit dem Verbot von "linksunten.indymedia.org" hat das BMI erstmals eine linksextremistische Vereinigung verboten. Auch ist es erst das zweite Mal, dass sich ein Verbot maßgeblich gegen eine Webseite bzw. das Betreiben derselben durch einen Verein richtet.
Im Januar 2016 war bereits die rechtsextremistische Internetplattform "Altermedia Deutschland" vom Bundesinnenminister verboten worden. Diese hatte allerdings eine Redaktion, die eigene und eingesandte Artikel veröffentlichte, während auf "linksunten.indymedia.org" jeder Nutzer publizieren konnte.
Von juristischer Bedeutung ist daher im weiteren Verlauf des Verfahrens, inwieweit den Betreibern über das faktische Zusammenwirken hinaus eine "organisierte Willensbildung" zur Publikation entsprechend strafbarer bzw. verfassungsfeindlicher Inhalte nachgewiesen werden kann.