Erdbeben in Marokko Falsche Videos und Verschwörungsansätze
Zu dem verheerenden Erdbeben in Marokko mit mehr als 2.000 Toten kursieren in den sozialen Netzwerken viele falsche Bilder und Videos. Einige von ihnen werden verknüpft mit bekannten Verschwörungserzählungen.
"Das passierte vor dem Erdbeben in Marokko", schreibt ein User beim Kurznachrichtendienst X. Dazu postet er ein Video, das angeblich kurz vor der Naturkatastrophe aufgenommen wurde. Darauf zu sehen ist ein vermeintlich großer Blitz, der den Nachthimmel hell erleuchtet. Ein User kommentiert dieses Video mit den Worten "Blue Beam Project", die Verschwörungserzählung von einer vorgetäuschten Alieninvasion.
Doch das Video wurde weder in Marokko aufgenommen, noch ist es echt. Eine einfache Bilderrückwärtssuche mit einem Screenshot zeigt, dass das Video bereits seit einigen Jahren im Netz kursiert. Im Mai 2020 wurde es beispielsweise auf TikTok hochgeladen. Es handelt sich zudem nicht um ein echtes Video, sondern es wurde mithilfe von 3-D-Computergrafik erzeugt.
Weitere Videos in den sozialen Netzwerken zeigen ebenfalls angeblich unnatürliche Lichtphänomene, die kurz vor dem Erdbeben eingetreten sein sollen. Sie werden mit der Verschwörungserzählung von HAARP in Verbindung gebracht.
Falschmeldung über Cristiano Ronaldo
Ein anderes Video, das im Zusammenhang mit dem Erdbeben in Marokko kursiert, zeigt ein einstürzendes Gebäude und Menschen, die sich in Sicherheit bringen. Zudem sind Schreie zu hören. Doch auch dieses Video ist deutlich älter: Es wurde bereits vor drei Jahren in der marokkanischen Stadt Casablanca aufgenommen.
Auch Falschmeldungen machen nach dem Erdbeben die Runde. So wurde ein gefälschter Artikel eines marokkanischen Onlinemediums verbreitet, das angeblich bereits vor dem Erdbeben die Menschen davor gewarnt haben soll, ihre Häuser wegen der erwarteten Erdbeben zu verlassen.
Und auch der Fußballer Cristiano Ronaldo ist im Fokus einer Falschmeldung. So verbreitete sich schnell die Nachricht im Netz, er habe sein Vier-Sterne-Hotel in Marrakesch für Überlebende des Erdbebens geöffnet. Doch das stimmt nicht, wie ein Hotelsprecher gegenüber der Faktencheck-Website "Libération" bestätigte: "Das sind falsche Informationen. Alle Kunden, die wir derzeit haben, haben ganz normal reserviert."
HAARP-Verschwörungserzählung weit verbreitet
Dass bei Naturkatastrophen auch gezielt Desinformation verbreitet wird, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Sowohl bei den Bränden auf Hawaii im August als auch bei dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar kursierten unter anderem Videos, die vermeintliche Beweise für abwegige Ursachen der Katastrophen zeigen sollten.
Bei Erdbeben werden dabei oftmals die USA als angeblicher Verursacher dargestellt - mit dem High Frequency Active Auroral Research Program (HAARP) (auf deutsch: Forschungsprogramm zur hochfrequenten Sonnenaktivität). Das HAARP ist ein Forschungsprogramm der Universität Alaska in den USA, das es schon seit Jahrzehnten gibt. Ziel dabei ist es, die obere Atmosphäre - die Ionosphäre - und auch die Ausbreitung von Funkwellen zu erforschen. Dafür werden Radiowellen eingesetzt.
In Verschwörungserzählungen wird HAARP jedoch oftmals als eine Art Waffe der USA angesehen, um beispielsweise Erdbeben zu erzeugen. Doch das ist aus Sicht von Experten gar nicht möglich. "Radiowellen können mit den hohen Frequenzen im Mega- und Gigahertzbereich in der Erdkruste keine Bewegung des Gesteins erzeugen und somit auch keine Spannungsänderungen hervorrufen", sagte Oliver Heidbach, Leiter der Arbeitsgruppe Analyse und Modellierung tektonischer Spannungen am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ), in einem früheren Interview dem ARD-faktenfinder.
Desinformation in Krisenzeiten
Dass die Verschwörungserzählung von HAARP gerade in Krisenzeiten immer wieder hervorgekramt wird, ist aus Sicht von Lea Frühwirth, Senior Researcher beim CeMAS (Center für Monitoring, Analyse und Strategie), wenig verwunderlich. "Verschwörungsideolog:innen, die an die vermeintliche Waffe 'HAARP' glauben, nehmen solche ins Narrativ passende Ereignisse zum Anlass, diesen Verschwörungsmythos zu verbreiten." Durch diese Verknüpfung mit aktuellen Reizthemen würden weitere Menschen von diesem Weltbild erfahren und sich vielleicht sogar anschließen.
Denn besonders in Krisenzeiten würde das auf fruchtbaren Boden treffen, indem vermeintliche Verantwortliche ausgemacht und Feindbilder generiert werden, sagte Josef Holnburger, Geschäftsführer des CeMAS. "Ob Erdbeben oder Krisen: Es werden einzelne Gruppen, Staaten oder Organisationen für alle Großereignisse verantwortlich gemacht, die dadurch Hass auf sich ziehen." Das sei insbesondere für Gruppen problematisch, die besonders häufig in Verschwörungserzählungen thematisiert werden, wie beispielsweise Jüdinnen und Juden.