Demonstration in Rom Radikale Impfgegner und Faschisten vereint
Eine Demonstration gegen die italienische Corona-Politik gipfelte am Wochenende in Rom in Gewalt. Was zunächst nach Protest von Maßnahmen-Kritikern aussah, war tatsächlich von Neofaschisten organisiert.
Die Schlüsselfigur ist eine 39 Jahre alte Römerin: Pamela Testa hat die Demonstration in Italiens Hauptstadt angemeldet. Es war eine Demonstration, die damit endete, dass randalierende Impfgegner im Zentrum Roms die Zentrale der Gewerkschaft CGIL stürmten - und Regierungspolitiker anschließend von einem Angriff auf die Demokratie sprachen.
Testa trat bei der Anmeldung der Demonstration als Vertreterin der von ihr gegründeten Bürgerinitiative Liberi Cittadini (Freie Bürger) auf. Im Internet ist ein Video zu finden, in dem sie dazu aufruft, zu einer von ihr mitorganisierten Kundgebung gegen die Corona-Politik auf die Piazza del Popolo zu kommen: "Auf der Piazza del Popolo werde ich mich als freie Bürgerin präsentieren, ohne irgendwelche politische Ideologie, ohne eine Parteifahne. Um uns alle zu vereinen und zu kämpfen für die Wiedereroberung unser Rechte und unserer Freiheit."
Verbunden mit Neofaschisten
Die Internetseite allerdings, auf der Testa die Video-Einladung an alle Corona-Impfgegner verbreitet, gibt einen Hinweis darauf, dass sie und ihre Bürgerinitiative alles andere als unideologisch und parteifern sind. Der Videoclip steht auf der Seite des rechtsextremen Onlinemagazins "L'Italia mensile" und Testas politisches Engagement begann nicht erst in der Corona-Pandemie. Seit mehreren Jahren ist die Römerin bei Veranstaltungen und Aktionen von Forza Nuova dabei. Die Partei ist die größte neofaschistische Organisation in Italien und arbeitet international etwa mit der deutschen NPD zusammen.
Die Internetseite, auf der die nach eigenen Angaben "freie Bürgerin" Testa zur Teilnahme an Protesten gegen die Corona-Politik der Regierung aufruft, wird von Giuliano Castellino betrieben. Der 45-Jährige ist stellvertretender Vorsitzender der Forza Nuova, Chef des mächtigen Ortsverbandes Rom und mehrfach mit der Justiz in Konflikt geraten. 2019 wurde er in erster Instanz zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, weil er einen Polizisten angegriffen hatte.
Forza Nuova auf der Demo präsent
Am Samstag durfte der rechtsextreme Anführer auf die Bühne kommen und heizte die Menge an. Castellino rief den Menschen auf dem Platz zu: "Heute nehmen wir uns Rom!" Danach stimmte der Forza-Nuova-Führer "Libertà, libertà" (Freiheit, Freiheit) als Sprechchor an, viele Tausend Menschen auf der Piazza del Popolo stimmten ein.
Neben Castellino auf der Bühne stand Luigi Aronica, zuständig für den Ordnungsdienst auf der Demonstration. Auch Aronica ist kein unbekanntes Gesicht in der italienischen Extremistenszene: Der 65-Jährige gründete in den 1970er-Jahren die rechtsterroristische Gruppe NAR mit und saß wegen Terrorismus 18 Jahre im Gefängnis.
Unpolitische Lockdown-Verlierer angezogen
Bemerkenswert ist, dass nach unabhängigen Schätzungen mehr als 10.000 Menschen an einer Demonstration teilnahmen, bei der mehr oder weniger bekannte Rechtsextreme die Fäden zogen. Denn laut Umfragen trägt die große Mehrheit der Italienerinnen und Italiener die Corona-Politik mit.
Für Unruhe sorgt allerdings die aktuelle Regierungsentscheidung, dass ab Freitag in Italien auch am Arbeitsplatz die Greenpass-Pflicht gelten soll, die in etwa der deutschen 3G-Regel entspricht. Die Proteste der Impfgegner in Italien ziehen auch generell unpolitische Lockdown-Verlierer an, sagt der Florentiner Soziologe Lorenzo Zamponi.
Unter den gewalttätigen Demonstranten am Wochenende waren außerdem Gastronomen, die sich in der Corona-Pandemie radikalisiert haben, wie der Chef der Organisation IoApro (Ich öffne), Biagio Passaro. Noch vor Kurzem hatte der Betreiber einer Pizzerien-Kette in einer Fernsehtalkshow die Schwierigkeiten der Bar- und Restaurantbetreiber in der Pandemie beklagt: "Wir haben viele, sehr viele Schulden angehäuft. Die Unterstützung der Regierung ist lächerlich. So wie wenn jemand, der 1500 Euro im Monat verdient, ein Jahr nicht arbeiten darf und als Unterstützung einmalig 60 Euro bekommt."
Gewalt war absehbar
Von der Erstürmung des Gewerkschaftsgebäudes veröffentlichte Passaro am Wochenende auf Facebook ein Video, das ihn inmitten der Randalierer zeigt. Die Gewerkschaft CGIL wird von Impfgegnern wegen ihrer Zustimmung zur Greenpass-Politik der Regierung kritisiert.
Dass es am Ende der Demonstration auf der Piazza del Popolo zu Ausschreitungen kommen würde, war nach italienischen Medienberichten absehbar gewesen. Die Zeitung "La Repubblica" berichtet von einer Nachricht, die die Organisatorin Testa in den Tagen zuvor in einer Telegram-Gruppe gepostet hatte. Darin kündigte sie die Nutzung "aller Mittel" an. Man sei zwar prinzipiell gegen Gewalt, wisse aber was "legitime Selbstverteidigung" sei.
Zwölf Festnahmen
Gewalttätige Teilnehmer der Demonstration hatten im Anschluss an die Kundgebung auf der Piazza del Popolo zunächst versucht, Richtung Regierungssitz Palazzo Chigi zu kommen, wurden dort aber von Wasserwerfern der Polizei aufgehalten. Daraufhin zogen rund 3000 von ihnen Richtung CGIL-Gewerkschaftshaus. Filmaufnahmen zeigen, dass vorne in dieser Gruppe Roberto Fiore dabei war, der 62 Jahre alte Vorsitzende der Forza Nuova.
Insgesamt zwölf mutmaßliche Rädelsführer der Ausschreitungen nahm die Polizei mittlerweile fest. Darunter sind Forza-Nuova-Chef Fiore, sein Stellvertreter Castellino, die Kundgebungsorganisatorin Testa, der Demo-Sicherheitschef und ehemalige Terrorist Aronica sowie der Gastronomen-Vertreter Passaro.