Hopp zu Corona-Imfpstoff Übertriebene Hoffnungen
Steht im Herbst schon ein Impfstoff aus Deutschland gegen Corona bereit? Wollten sich die USA diesen exklusiv sichern? Äußerungen des Unternehmers Hopp haben solche Spekulationen genährt. Doch was ist dran?
"Vom Hasssymbol der Fußballultras zum Hoffnungsträger in der Coronakrise" - so lauten Überschriften in Medien zu der Rolle von Dietmar Hopp derzeit. Hintergrund solcher Beiträge war ein Interview des Unternehmers, in dem er sagte, bereits im Herbst könne ein Impfstoff gegen Corona zur Verfügung stehen - und zwar von der Tübinger Biotechfirma CureVac, an der der 79-Jährige als Mehrheitseigner beteiligt ist. Man könne im Herbst liefern, wenn die Behörden rasch genehmigen würden.
Das Robert Koch-Institut dämpfte solche Hoffnungen. "Ich persönlich schätze es als realistisch ein, dass es im Frühjahr 2021 sein wird", sagte Präsident Lothar Wieler. Alles, was bürokratisch machbar sei, müsse getan werden. Klinische Testphasen aber könne man nicht verkürzen.
Dietmar Hopp (links) ist Unternehmer und war Mäzen der TSG Hoffenheim.
Auch Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) mahnte zu Geduld. "Überall arbeiten die Forscherinnen und Forscher mit allem Hochdruck daran. Wir sind mit ihnen in einem engen Austausch, aber die Entwicklung braucht ihre Zeit", sagte sie der "Passauer Neuen Presse".
US-Übernahme geplant?
Hopps Äußerungen hatten für besonders viel Aufmerksamkeit gesorgt, da er sich auch zu Spekulationen geäußert hatte, die USA wollten sich den Impfstoff aus Baden-Württemberg exklusiv sichern. Dazu sagte Hopp bei "Sport 1": "Für mich ist das selbstverständlich, es kann gar nicht sein, dass eine deutsche Firma den Impfstoff entwickelt und dieser in den USA exklusiv genutzt wird. Das war für mich keine Option." Die Spekulationen waren durch Stimmen aus der Bundesregierung befeuert worden.*
Auf die Frage, ob es aus der US-Regierung den Versuch gegeben habe, das deutsche Unternehmen CureVac für eine sehr hohe Geldsumme zu übernehmen, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer: "Ich kann nur sagen, dass ich heute mehrfach gehört habe von Regierungsmitgliedern, dass dies zutrifft und dass wir da morgen im Krisenstab darüber reden." Einen Tag später meldete sich Kanzlerin Angela Merkel zu Wort und verkündete, das Problem sei gelöst.
Hintergrund der Spekulationen und Vorwürfe war ein Treffen der US-Regierung mit Unternehmen, die an Impfstoffen arbeiten. Dort war auch der Vorstandschef von CureVac anwesend. Allerdings erklärte das Unternehmen kurz nach den Gerüchten über ein angebliches Trump-Angebot, ein solches habe es nie gegeben. "Um es noch einmal klar zustellen: CureVac hat vor, während und seit dem Treffen der Task Force im Weißen Haus am 2. März kein Angebot von der US-Regierung oder verwandten Stellen erhalten", teilte die Firma mit.
EU-Kredite
Kurz nach den Übernahmegerüchten teilte die EU mit, CureVac werde mit einem Kredit von bis zu 80 Millionen Euro unterstützt, um die Entwicklung und Produktion eines Impfstoffs gegen das Coronavirus in Europa zu beschleunigen. Der Kredit würde über ein mit einer EU-Garantie abgesichertes Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) erfolgen. Zuvor gab es nach Angaben der Kommission Gespräche zwischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem CureVac-Management.
Von der Leyen und die Forschungskommissarin Mariya Gabriel betonten in einer ausführlichen Presemitteilung, wie bedeutsam Unternehmen wie CureVac in der EU seien und dass die Impfstoffe den Menschen in Europa und der ganzen Welt zugute kommen sollten - offenkundig eine Anspielung auf die angeblichen Pläne der USA, sich Medikamente exklusiv sichern zu wollen. Die Berichte zeigten auch Wirkung in Börsenkreisen: Investoren suchten Branchenmedien zufolge nach Aktien von CureVac, allerdings ist das Unternehmen gar nicht an der Börse notiert.
Bislang keine Tests beantragt
Doch wann tatsächlich in Deutschland klinische Tests mit Impfstoffen beginnen, ist unklar. CureVac wollte sich auf Anfrage des ARD-faktenfinder nicht dazu äußern, ob man mittlerweile einen solchen Antrag gestellt habe. Man sei mit den zuständigen Zulassungsbehörden "in Kontakt". Über den aktuellen Stand von Gesprächen oder Anträgen gebe das Unternehmen aber keine Auskunft. Auf Anfrage von NDR und WDR hatte das für die Zulassung von Medikamenten zuständige Paul-Ehrlich-Institut am 23. März mitgeteilt, dass in Deutschland bislang keine klinischen Tests für Corona-Impfstoffe beantragt worden seien.
Das Institut berate sich mit einer "Reihe von Entwicklern von Impfstoffkandidaten und biomedizischen Arzneimitteln in sogenannten Wissenschaftlichen Beratungen" zum Zulassungsprozess und zu klinischen Prüfungen. In den USA und China haben hingegen bereits klinische Tests begonnen. Die WHO führte am 4. April zudem 60 weitere Impfkandidaten auf, die noch evaluiert werden, bevor sie klinisch geprüft werden können. Unter diesen zahlreichen Kandidaten findet sich auch ein Projekt von CureVac.
Fragwürdige Aussagen
Die Äußerungen von Hopp sind somit in mehrfacher Hinsicht fragwürdig. Der Zeitrahmen für die Lieferung eines Impfstoffs im Herbst erscheint derzeit unrealistisch, hat CureVc doch noch nicht einmal mit klinischen Tests begonnen.
Zudem erscheint es zumindest zweifelhaft, dass die USA die Forschungen von CureVac exklusiv übernehmen wollten. Zwar gilt das Unternehmen als sehr renommiert im Bereich der Entwicklung von Impfstoffen, allerdings ist es international keineswegs der einzige Hoffnungsträger, was einen Schutz gegen das Coronavirus betrifft.
*Anmerkung: Wir haben die Äußerungen bei "Sport 1" ergänzt, um deutlich zu machen, dass sich Hopp auf bereits kursierende Spekulationen bezogen hat. Dies war zunächst missverständlich formuliert.