Verkehr
Hintergrund

Probleme in Metropolen Im Smog vereint

Stand: 04.06.2021 18:06 Uhr

Luftverschmutzung und Fahrverbote sind nicht nur in Deutschland ein Thema. In vielen Metropolen herrscht "dicke Luft", die alle Grenzwerte sprengt. Einige Städte setzen auf Fahrverbote, andere sind machtlos.

Beim Thema Luftverschmutzung stehen deutsche Städte im globalen Vergleich nicht schlecht da. Probleme mit schädlichen Abgasen gibt es in vielen Metropolen - teilweise in ganz anderen Dimensionen.

In der griechischen Hauptstadt Athen war "dicke Luft" in den 1980er-Jahren ein enormes Problem. Schon damals wurde der Verkehr beschränkt. Im Wechsel durften nur Autos mit geraden oder ungeraden Nummernschildern fahren. Besserung trat mit der Einführung des griechischen TÜV und mit den Olympischen Spielen 2004 ein, als Industriebetriebe aufs Land verbannt wurden. Heute lässt es sich in Athen vergleichsweise gut atmen; ein Problem ist jedoch seit Beginn der Finanzkrise das Heizverhalten der Menschen. Weil viele kein Geld für Heizöl haben, verbrennen sie in ihren Kaminen alles Mögliche, so dass die Grenzwerte im Winter immer wieder überschritten werden.

Besser, aber noch nicht gut

Für London sind die schlimmsten Zeiten lange vorbei. Im Great Smog von 1952 konnte man teilweise die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Innerhalb von nur fünf Tagen starben damals geschätzt 4000 Menschen, weil sie keine Luft mehr bekamen. Doch auch heute geht die Stadtverwaltung von mehreren Tausend vorzeitigen Todesfällen pro Jahr wegen Luftverschmutzung aus. Die EU-Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub werden besonders in der City teils deutlich überschritten.

Ab April 2019 gilt in London eine neue Umweltzone für mehrere Innenstadtbereiche, die "Ultra Low Emission Zone". Autofahrer, deren Fahrzeuge den Vorgaben nicht entsprechen, müssen 12,50 Pfund (rund 14 Euro) Maut pro Tag bezahlen. Bis Oktober 2021 soll sie auf beinahe das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet werden. Ältere Diesel- und Benziner müssen bereits seit 2017 eine Zusatzgebühr zur Innenstadtmaut entrichten. Seit 2018 werden keine Taxi-Lizenzen mehr für Dieselfahrzeuge ausgegeben. Neue Taxis müssen mindestens mit Hybridmotor ausgestattet sein. Noch in diesem Jahr sollen zudem alle Doppeldeckerbusse in der Innenstadt auf Hybrid umgestellt werden.

Mehr als 100 Mikrogramm NO2

Wenn es in Moskau regnet oder stürmt, können die Menschen aufatmen: Dann ist die Luft am saubersten. Doch gerade im Winter bei viel Schnee wird es eng auf den Straßen: Kilometerlange Staus quälen sich durch die Zwölf-Millionen-Stadt. Dann schlagen die Messstationen von Greenpeace Alarm: Im Januar wurde an manchen Tagen mehr als 100 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft gemessen. Der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. Die Stadt und Bürgerinitiativen möchten deshalb möglichst viele Einwohner zum Umstieg aufs Fahrrad und auf die Metro bewegen.

Auf manchen Straßen in der Innenstadt gelten für besonders schmutzige Lastwagen und Bussen Einschränkungen. Für alle Neuwagen sowie für alle aus dem Ausland importierte Gebrauchtfahrzeuge gilt Euro 5 als Pflicht.

Verkehr in Moskau

Die Menschen in Moskau leiden oft an der starken Luftverschmutzung

Die stark belastete französische Hauptstadt Paris geht seit langem gegen Luftverschmutzung vor. Regelungen im Kampf gegen Abgase sind streng, Schadstoff-Plaketten für Autos Pflicht. Dieselautos mit Erstzulassung vor 2001 und Benziner mit Baujahr vor 1997 dürfen in der Woche tagsüber nicht mehr überall fahren. Ab Mitte des Jahres werden die Regeln strenger: Dann dürfen die alten Autos grundsätzlich gar nicht mehr in das vom äußeren Autobahnring umschlossene Gebiet fahren.

Paris baut zudem vor der Stadt große Parkplätze, damit Pendler mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt fahren. Auf längere Sicht gehen die Pläne von Bürgermeisterin Anne Hidalgo noch weiter. So soll das historische Zentrum in einen Fußgängerbereich umgewandelt werden. Der - bisher nicht konkretisierte - Plan betrifft die ersten vier Arrondissements - in diesen Bezirken liegen berühmte Touristenattraktionen wie die Kathedrale Notre-Dame, das Louvre-Museum, das Centre Pompidou oder die Seine-Inseln.

Passanten laufen im verschneiten Paris an einer Station der Metro vorbei.

Paris will Teile der Innenstadt ganz für Autos sperren.

In Rom brummt der Verkehr - doch dort ist die Luft oft gar nicht so schlecht wie in anderen Städten. Turin oder Mailand, aber auch Padua und Brescia stehen stets weit oben auf den Listen, wenn es um Überschreitungen von Schadstoff-Grenzwerten geht. Aus Sicht des Umweltverbands Legambiente ist die Umweltverschmutzung "außer Kontrolle" geraten: In 55 Provinzhauptstädten Italiens sind demnach 2018 Grenzwerte für Feinstaub und Ozon an vielen Tagen überschritten worden. Grund dafür sieht der Verband etwa in fehlenden Plänen für den Ausbau des Nahverkehrs.

Für Fahrten in Stadtzentren gibt es in Italien vielfach klare Regeln. In Rom müssen Anwohner etwa eine Genehmigung dafür kaufen. Einmal im Monat gönnt die Stadtverwaltung den Bewohnern einen "grünen Sonntag". Dann müssen in zwei Zeitfenstern Dieselwagen und Benziner stehen bleiben.

Keine Pläne für Fahrverbote

Heizen mit Kohle, Holz oder Autoreifen, qualmende Auspuffe alter Autos und schier endlose Staus: In der Balkanmetropole Sofia ist die Luftqualität oft schlecht. So übertraf der Feinstaubgehalt der Luft in Bulgariens Hauptstadt am 3. Dezember 2018 den Grenzwert bis um das Zwölffache - gemessen wurden Werte von 600 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter. Die Kessellage sowie Hauptverkehrsadern quer durch die Innenstadt verstärken die Luftverschmutzung noch. An kritischen Tagen gab es 2018 erstmals ein billiges "grünes Ticket" für den Nahverkehr. Ein Fahrverbot wird nicht erwogen.

Die Millionenmetropole Los Angeles in Südkalifornien ist für ihre dicke Luft bekannt. Zwar hat sich seit den fast täglichen Smog-Warnungen in den 1960er-Jahren viel verbessert, doch die Stadt der Highways belegt nach Berichten von Fachverbänden immer noch Platz 1 für die höchste Ozon-Belastung. Im vorigen Sommer wurden im Raum Los Angeles an 87 aufeinanderfolgenden Tagen die zulässigen Schadstoffgrenzen überschritten. 

Rush Hour in Los Angeles

Rush Hour in Los Angeles

Trotz Dunstglocke und Verkehrstaus - Fahrverbote gibt es in dem Auto-Mekka nicht. Kalifornien setzt vor allem auf den steigenden Verkauf von Elektroautos. Das steuerlich geförderte Ziel sind 1,5 Millionen emissionsfreie Fahrzeuge im Jahr 2025. Die Verkehrsbehörde in Los Angeles will erstmals auch die Einführung einer Innenstadt-Maut oder streckenbezogener Gebühren für Vielfahrer prüfen lassen. Als Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2028 plant die Stadt Milliardeninvestitionen in den Ausbau des Nahverkehrs.

Atemmasken zum Schutz

In Peking liegt die Luftbelastung mit Feinstaub bei PM 2,5 - also Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von 2,5 Mikrometern oder kleiner - fast immer über dem Grenzwert, den die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Für die mehr als 20 Millionen Pekinger ist es relativ positiv, wenn der Grenzwert nur um das Zwei- bis Vierfache überschritten wird. Manchmal ist die Lage viel schlechter: In diesem Winter wurde der Grenzwert einmal auch wieder um das Zwanzigfache überschritten.

Die Behörden haben in den vergangenen Jahren einiges getan, unter anderem Fabriken ausgelagert und Abgasvorschriften verschärft. Auch gilt an einem Tag der Woche ein Fahrverbot für jedes Auto - je nach Nummernschild. Droht schlimmer Smog, müssen Fabriken die Produktion drosseln. Die Menschen schützen sich meist mit Atemschutzmasken und lassen daheim Luftfilter laufen.

Fußgänger mit Mundschutz in Peking

Fußgänger mit Mundschutz in Peking

Fahrverbot bei Luftnotstand

In Mexiko-Stadt ist die Luftqualität selten gut. In einer der bevölkerungsreichsten Metropolen der Welt sind mehr als fünf Millionen Autos unterwegs. Mexikos Hauptstadt liegt in einem Talkessel auf 2200 Meter Höhe, umgeben von Bergen. An manchen Tagen liegt der Dunst wie eine Glocke über der Stadt. Wenn die Luftverschmutzung sehr hoch und die Grenze von 150 Punkten im so genannten Luftqualitätsindex überschritten wird, werden Notmaßnahmen getroffen.

2016 wurde zum ersten Mal in 14 Jahren wieder der Luftnotstand ausgerufen. Mehr als 2,2 Millionen Autos durften nicht fahren, die Industrie musste ihre Emissionen um 30 bis 40 Prozent reduzieren und in den Schulen fiel der Sportunterricht aus. Die Benutzung von Metro und Bussen war an den Tagen des Notstands kostenlos.

Bangkoks Stadtbild ist in eine graue Smogschicht eingehüllt.

Der Luftqualitätsindex bescheinigt Bangkok den Status "ungesund".

Über Bangkok liegt seit Beginn des Jahres dichter Smog. Thailands Hauptstadt gehört weltweit zu den zehn Metropolen mit der schlechtesten Luft. Schuld daran sind nach Meinung von Experten die Millionen Autos. Stau ist fast immer. Manche Straßen sind permanent verstopft. Zudem hat es seit Wochen kaum geregnet. Jetzt ist die halbe Stadt mit Atemschutzmasken unterwegs. Als Gegenmittel wird Wasser gesprüht, auch mit Drohnen. Zu einem Fahrverbot können sich die Militärs, die seit einem Putsch 2014 an der Regierung sind, aber nicht durchringen: Am 24. März wird gewählt. Stattdessen gibt es die Empfehlung, vor Tempeln keine Räucherstäbchen mehr anzuzünden.

Schlechteste Luft der Welt

Nirgendwo ist die Luft ungesünder als in der indischen Hauptstadt Neu Delhi - mit mehr als 28 Millionen Einwohnern eine der größten Städte der Welt. Dazu kommt: Die 13 Städte mit der höchsten Feinstaubbelastung der Welt liegen laut WHO alle in Nordindien. Bisweilen erreicht der Luftgehalt des gefährlichen Feinstaubs PM 2,5 die höchste messbare Zahl von 999 Mikrogramm pro Kubikmeter - das 40-fache des Grenzwerts der WHO.

An solchen Tagen treten Notfallmaßnahmen in Kraft - Bauarbeiten werden gestoppt, Schulen geschlossen und der Verkehr wird eingeschränkt. Es fehlt aber an einer Strategie sowie an Problembewusstsein in der Bevölkerung.

Smog in Neu-Delhi

In Neu-Delhi leiden die Bewohner unter gesundheitsgefährdenden Smog.

Nur eines von vielen Problemen

Die afghanische Hauptstadt Kabul mit geschätzt vier Millionen Einwohnern erstickt im Winter geradezu im Smog. Der Luftanteil des besonders gefährlichen Feinstaubs der Kategorie PM 2,5 liegt immer wieder über 200, teils sogar über 500 Mikrogramm pro Kubikmeter. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind Werte von höchstens 25 im Tagesdurchschnitt und von zehn als Jahresmittel unbedenklich. Zu den größten Luftverschmutzern gehört der Verkehr - uralte Lkw und Autos knattern durch die Stadt. Aber auch Wohnhäuser, Ziegelöfen und öffentliche Bäder tragen zur Luftverschmutzung bei, da sie hauptsächlich mit Kohle geheizt werden. Gesetzliche Grenzwerte gibt es nicht, Aufrufe zu mehr Umweltschutz verhallen in dem kriegsgeplagten Land mit vielen anderen Problemen praktisch ungehört.

Mehrere Experten haben im vergangenen Jahr die Umweltbehörde Nepa frustriert verlassen, auch weil es an Geld für Maßnahmen wie mehr Kontrollen von Verschmutzern oder Aufforstungsmaßnahmen mangelt. So kann die Behörde nur vor den Gefahren der Verschmutzung warnen. Sie empfiehlt, auf billige Heizmittel wie Kohle oder Müll zu verzichten.

Stau in Kabul

Alte Autos und Kohleöfen verschlechtern die Luftqualität in Kabul massiv. Angesichts der Lage in dem Land nur eines von vielen Problemen.

Ein Umstieg ist aber ungeachtet dessen, dass die meisten Haushalte ohnehin nur ein Zimmer im Winter heizen, für viele unmöglich. Laut Weltbank lebt mehr als die Hälfte der Afghanen unter der Armutsgrenze. Gleichzeitig fällt mit Strom eine saubere Variante oft aus, denn bei Kämpfen zwischen der Regierung und den aufständischen Taliban werden immer wieder Stromleitungen beschädigt.

Massive Feinstaubbelastung

Ägyptens Hauptstadt Kairo zählt weltweit zu den Städten mit der höchsten Feinstaubbelastung. Die große Hitze und der Staub der umliegenden Wüste verschärfen die Situation für die Mega-Metropole mit ihren mehr als 20 Millionen Einwohnern. Der stockende Straßenverkehr mit alten Autos, illegale Müllverbrennungen und die Industrie tun ihr übriges: Im Jahresmittel liegt die Feinstaubbelastung laut Weltgesundheitsorganisation WHO bei 284 Mikrogramm/Kubikmeter Luft.

Stau in Kairo

In Kairo herrscht oft "dicke Luft". Sandstürme verschlimmern die Situation noch.

Die Smogwolken sind sogar vom All aus auf Satellitenaufnahmen zu sehen. Im vergangenen Jahr kündigte das Umweltministerium an, die Luftverschmutzung bis 2023 um die Hälfte zu reduzieren. Dazu sollen etwa schärfere Kontrollen der Autoabgase und eine Umstellung auf Elektromobilität beitragen. Ähnliche Ideen wurden aber bereits 2004 formuliert - ohne Erfolg.

Quelle: dpa