Tarifkonflikt Warnstreik bei der Bahn abgewendet
Der geplante Warnstreik bei der Bahn ist vorerst abgewendet. Das Unternehmen und die Gewerkschaft EVG haben einem verpflichtenden Vergleich zugestimmt. Die Bahn rechnet dennoch mit Ausfällen.
Bei der Deutschen Bahn wird es in den kommenden Tagen nun doch erst mal keinen Warnstreik geben. Sowohl die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) als auch die Deutsche Bahn teilten mit, man habe einem verpflichtenden Vergleich zugestimmt.
Baldiger Abschluss als Ziel
Mit dem Vergleich verständigten sich beide Seiten der DB zufolge auch darauf, "nun zügig und konstruktiv zu verhandeln, mit dem Ziel eines baldigen Abschlusses". Auch das Thema Mindestlohn sei Teil des Vergleichs. Die EVG betonte, dass die Mindestlohn-Thematik die Voraussetzung für alle weiteren Verhandlungsthemen darstelle.
Den Vergleich hatte das Arbeitsgericht in Frankfurt vorgelegt. Die zuständige Richterin hatte mehrfach angedeutet, sie habe Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angekündigten Streiks. Die EVG laufe Gefahr, vor Gericht zu unterliegen, wenn sie dem Vergleich nicht zustimme.
Streik nur bei Deutscher Bahn gestoppt
Die EVG erklärte daraufhin, sie verzichte auf den von Sonntagabend bis Dienstagnacht geplanten 50-stündigen Ausstand. Die Gewerkschaft bestätigte: "Auf Anraten des Gerichts haben der Arbeitgeber und wir deshalb einen Vergleich geschlossen."
Allerdings betonte die EVG, der Streikaufruf für einige Bahn-Unternehmen gelte weiterhin. Lediglich der Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn sei abgesagt worden. Ein Sprecher warnte außerdem: Sollte die Bahn "wortbrüchig werden, werden wir erneut zu einem Streik aufrufen".
Bahn geht dennoch von Einschränkungen aus
Bahn-Personalvorstand Martin Seiler schrieb nach der Einigung auf den Vergleich: "Der Gang der Deutschen Bahn vors Arbeitsgericht hat sich für alle gelohnt". Allerdings werde es in den nächsten Tagen Einschränkungen im Zugangebot im Fern- und Nahverkehr geben. Noch ist auch unklar, was die Absage des Warnstreiks bei der Deutschen Bahn für beereits umgetauschte Tickets bedeutet.
Philipp Nagl, Chef der DB Netz AG, sagte dazu: "Wir werden alles geben, um unseren Kundinnen und Kunden einen möglichst regulären Verkehr anzubieten." Die Planungen für Montag und Dienstag würden sofort aufgenommen. Das Problem: Die Bahn müsse nun rund 50.000 Zugfahrten sowie die dazugehörigen Schicht- und Einsatzpläne neu planen.
Am Sonntag sollen laut der Bahn Details bekannt gegeben werden, inwieweit der Betrieb regulär laufen kann. Nagl geht nach eigener Aussage von einem "weitgehend normalen Betrieb" aus.
Bahn wollte Streik mit Eilantrag verhindern
Die Deutsche Bahn hatte zuletzt versucht, den Streik per Eilantrag abzulehnen. Das Unternehmen hatte argumentiert, der auf 50 Stunden angelegte Warnstreik sei "unverhältnismäßig und schädigt Kunden sowie unbeteiligte Dritte". Man habe in den Verhandlungen mit der EVG "über 10 Prozent Lohnerhöhung" angeboten. Außerdem habe sie "die zentrale Vorbedingung der EVG erfüllt und sich mehrmals auf die EVG zubewegt".
Knackpunkt Mindestlohn
Der Gewerkschaft war es nach eigenen Angaben vor allem um die Bedingung gegangen, einen gesetzlichen Mindestlohn als Grundlage für dann darauf aufbauende Lohnerhöhungen zu erzielen. Der gesetzliche Mindestlohn wird bei der Bahn rund 2000 Beschäftigten bislang nur über Zulagen gezahlt. Die Bahn wollte zunächst keine Vorbedingungen vor den eigentlichen Verhandlungen erfüllen. Inzwischen hat sie aber zugesagt, den Mindestlohn vorab in die Tariftabellen aufzunehmen.
Für die Gewerkschaft ist dieser Punkt entscheidend - sie will die Beschäftigten mit geringen Löhnen etwa mit Blick auf die Inflation überproportional stärken. Zudem dürfte sie auch zum Ziel haben, in diesen Lohngruppen beziehungsweise diesen Branchen durch ihren Einsatz neue Mitglieder zu gewinnen.
Bahn will fast doppelt so lange Laufzeit
Dass die unteren Lohngruppen überproportional gestärkt werden sollen, zeigt sich auch an der Hauptforderung an die Branche, bei der ein hoher Festbetrag im Fokus steht: 650 Euro mehr pro Monat will die Gewerkschaft für die Beschäftigten bei den 50 Bahn-Unternehmen erreichen, erst bei den oberen Einkommen fordert sie Prozente, konkret 12 Prozent. Die Laufzeit soll nach Gewerkschaftsvorstellung bei 12 Monaten liegen.
Die Bahn hat zuletzt steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen von insgesamt 2850 Euro sowie stufenweise Erhöhungen von 10 Prozent bei den unteren und mittleren sowie 8 Prozent bei den oberen Einkommensgruppen in Aussicht gestellt - das alles bei einer Laufzeit von 27 Monaten.
Bereits dritter Streik
Bereits Ende März hatte die EVG gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di den Verkehr in Deutschland weitgehend lahmgelegt. Ende April legte die EVG mit einem achtstündigen Warnstreik nach.
Die EVG verhandelt seit Ende Februar mit 50 Bahn-Unternehmen über neue Tarifverträge. Aus Sicht der Gewerkschaft kommen die Gespräche mit den meisten dieser Unternehmen nicht entscheidend voran, so auch mit der DB. Die Gewerkschaft verhandelt für etwa 230.000 Beschäftigte - 180.000 davon arbeiten bei der Deutschen Bahn.