
Sondierungen abgeschlossen Union und SPD wollen Koalitionsverhandlungen aufnehmen
Nach gut einer Woche haben CDU, CSU und SPD ihre Sondierungen abgeschlossen - nun sollen Koalitionsverhandlungen beginnen. Sowohl bei den Themen Migration als auch Finanzen gab es den Parteispitzen zufolge Einigungen.
Acht Tage nach Beginn ihrer Sondierungen haben Union und SPD ein Abschlusspapier vorgelegt, auf Basis dessen Koalitionsverhandlungen für eine schwarz-rote Bundesregierung aufgenommen werden sollen. Diese könnten nach Angaben von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz gegebenenfalls kommende Woche beginnen. In einer ganzen Reihe von Sachfragen sei Einigkeit erzielt worden, sagte der CDU-Chef in Berlin.
Die Atmosphäre sei gut und sehr kollegial gewesen. Als inhaltliche Kernpunkte nannte Merz die Themen Migration, Finanzen und Arbeitsmarkt- beziehungsweise Wirtschaftspolitik. Das Papier umfasst elf Seiten. Konkrete Änderungen soll es unter anderem beim Asyl- und Bürgergeldsystem geben.
Zurückweisungen an Grenzen
An den Landgrenzen sollen Merz' Angaben zufolge künftig auch Menschen zurückgewiesen werden, die ein Asylgesuch stellen - allerdings nur in Abstimmung mit den Nachbarstaaten. Möglich sind Zurückweisungen grundsätzlich nur da, wo es stationäre Grenzkontrollen gibt. Die hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zwar in den vergangenen Jahren sukzessive für alle deutschen Landgrenzen angeordnet. Wer einen Asylantrag stellen will, darf aber in der Regel einreisen.
Grenzkontrollen sollen laut Merz "massiv" ausgebaut werden. Auch der Familiennachzug von Flüchtlingen soll weiter eingeschränkt werden.
Änderungen beim Bürgergeld
Union und SPD wollen zudem das Bürgergeldsystem verändern. "Wir werden das bisherige Bürgergeldsystem neu gestalten, hin zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende", sagte CDU-Chef Merz. Er kündigte an: "Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen."
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, wer sich komplett verweigere, könne nicht auf die gleiche Unterstützung setzen, das sei fair und gerecht. Außerdem habe die SPD darauf bestanden, einen Mindestlohn von 15 Euro und stabile Renten in das gemeinsame Sondierungspapier mit aufzunehmen.
Merz kündigte zudem an, man werde im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen statt einer täglichen Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz schaffen. "Und wir werden Überstundenzuschläge steuerfrei stellen, die über die tariflich vereinbarte beziehungsweise an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen."
E-Autos, Industriestrompreis, Agrardiesel
CDU, CSU und SPD wollen außerdem in einer möglichen Bundesregierung die schleppende Nachfrage nach Elektroautos wieder stärker ankurbeln. Die E-Mobilität soll laut dem Sondierungspapier durch "einen Kaufanreiz" gefördert werden. Eine bestehende Kaufprämie war Ende 2023 wegen Haushaltsnöten von der Ampelkoalition abrupt gestoppt worden, danach sackte die Nachfrage spürbar ab.
Klingbeil kündigte in der Pressekonferenz auch einen verbilligten Industriestrompreis an. Zurückgenommen werden soll das von der Ampelkoalition beschlossene Aus für Steuervergünstigungen für Landwirte, das wochenlange Bauernproteste ausgelöst hatte. Die Agrardiesel-Rückvergütung solle "vollständig" wieder eingeführt werden.
Das Deutschlandticket im Nahverkehr wird in dem Sondierungspapier als Grundlage für Koalitionsverhandlungen ebenfalls genannt - aber vorerst nur vage. "Wir beraten über die Fortsetzung des Deutschlandtickets sowie den Ausbau und die Modernisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs", heißt es darin. Die Finanzierung des Tickets für Busse und Bahnen ist vorerst nur bis Ende 2025 durch staatliche Zuschüsse gesichert.
"Unsere gemeinsame Handschrift"
Zugunsten der Wirtschaft wollen Union und SPD außerdem Investitionsanreize schaffen und eine Unternehmenssteuerreform anstreben. In den zentralen Finanzfragen hatten die Sondierer mit der Lockerung der Schuldenbremse und Sondervermögen bereits am Dienstag einen Durchbruch erzielt.
"Diese Maßnahmen tragen unsere gemeinsame Handschrift", sagte Merz. CSU-Chef Markus Söder sagte, es gebe keine Gewinner und Verlierer der Gespräche, sondern neue Partner. Zur Frage, ob er zufrieden sei, sagte er: "Aus bayerischer Sicht würde man sagen: Passt schon."
Zielmarke Ostern
Wenn die Parteigremien zustimmen, kann die Arbeit am Koalitionsvertrag beginnen. Darin halten die Parteien fest, welche Projekte sie in der Legislaturperiode zusammen anpacken wollen - und auch, welche Partei welches Ministerium besetzt.
Wer Koalitionsverhandlungen aufnimmt, tut das zwar mit der klaren Absicht, eine gemeinsame Regierung zu bilden. Ein Scheitern ist aber auch in dieser Phase nicht ausgeschlossen. Merz gab das Ziel aus, die Verhandlungen bis Ostern abzuschließen.
Die Union hatte die Bundestagswahl am 23. Februar mit 28,5 Prozent deutlich gewonnen. Die SPD landete mit 16,4 Prozent hinter der AfD (20,8 Prozent). Eine Alternative zur schwarz-roten Koalition gibt es nicht, weil Schwarz-Grün keine Mehrheit hat und eine Zusammenarbeit mit der AfD von der Union klar ausgeschlossen wird.