Zeitumstellung in Russland Wie man es macht, macht man es falsch
Wie es sich ohne Zeitumstellung lebt - darin sind die Russen Experten. Nach drei Jahren Sommerzeit wurde diese 2014 wieder abgeschafft. Doch damit sind längst nicht alle zufrieden.
Es war ein Schock für viele Russen, als im November 2011 die Nacht plötzlich zum Tag wurde. Fotos von Schülern mit müden Augen, die an stockdunklen Wintermorgen zur Schule stapften und Bilder von entsetzten Eltern und übermüdeten Lehrern fluteten die sozialen Netzwerke des Riesenreichs. In manchen Provinzen wurde es durch die Zeitumstellung plötzlich erst um 10 Uhr morgens hell. Erst dann erkannten viele Russen, welche Konsequenzen eine permanente Sommerzeit haben kann.
Vor allem im Norden und im fernen Osten klagten Bürger darüber, bei der Sommerzeit in den Wintermonaten Probleme mit dem Aufstehen zu haben. Darunter auch Oksana Karaicheva. Die 47-Jährige lebt in der Stadt Magadan - acht Zeitzonen östlich von Moskau.
"Für uns war die Umstellung auf die permanente Sommerzeit eine Stressprobe", erzählt sie. "Stellen Sie sich vor, Sie müssen um acht Uhr bei der Arbeit erscheinen, aber es wird erst um 10 Uhr hell! Menschen waren dauerhaft übermüdet, sind teilweise auf der Arbeit oder gar am Steuer eingeschlafen!" Trotz der widrigen Umstände hätten Arbeitgeber und Schulen die Zeiten nicht neu angepasst, kritisiert die Unternehmerin.
Zeitumstellung aus Sorge um den Biorhythmus abgeschafft
Eigentlich hatte der damalige Präsident Dmitri Medwedew im Jahr 2011 die Zeitumstellung aus Sorge um den menschlichen Biorhythmus abgeschafft. Er kenne keinen, der eine Umstellung gut und sinnvoll finde, sagte er damals.
Zudem reduzierte Medwedew die Zeitzonen von elf auf neun. Das Land sollte dadurch besser zusammenwachsen und leichter regierbar werden. Was er aber wohl nicht bedacht hatte, war, dass durch die wegfallenden Zeitzonen und die permanente Sommerzeit manche Regionen ihrer natürlichen Zeit um ein bis zwei Stunden voraus waren.
Das bedeutet, dass die Menschen dort nicht in der ihrer geografischen Lage entsprechenden Zeit leben. "Sie werden depressiv, wenn sie nach dem Aufstehen noch vier Stunden in Dunkelheit verbringen müssen", fasst Karaicheva das Leben unter der ewigen Sommerzeit zusammen.
Putin dreht die Uhren zurück
Die Kehrtwende kam 2014. Der russische Präsident Wladimir Putin drehte die Uhr eine Stunde zurück. Fortan sollte in Russland ganzjährig die Winterzeit gelten und die elf Zeitzonen wiederhergestellt werden. Damit setzte der gerade erneut gewählte Kremlchef eine der wenigen konkreten Maßnahmen seines Vorgängers außer Kraft. 39 Prozent der Bevölkerung unterstützen damals sein Vorhaben.
Doch auch die neue Regelung sorgt für Kritik. Zwar wird es nun nicht mehr so spät hell, doch nun beschweren sich viele Russen darüber, dass es zu früh dunkel werde. Arkadij Tischkow, Geograf an der russischen Akademie der Wissenschaften, kritisierte in der Zeitung "Komsomolskaja Prawda" Russlands Entscheidung für die permanente Winterzeit. Das Land verliere vor allem im kurzen russischen Sommer unnötig Sonnenstunden. Die arbeitende Bevölkerung habe dadurch weniger Zeit für Freizeitaktivitäten.
Schlaflos in Moskau: Bei der Hitze in diesem Sommer sowieso.
Dunkelheit am Abend lässt Russen vorm PC versacken
Anstatt den Abend im Freien mit der Familie zu verbringen, würden viele vor dem Computer versinken, kritisiert der Wissenschaftler. Im Hochsommer wird es in Moskau bereits gegen 4 Uhr in der Früh hell. Der frühe Sonnenaufgang sorgt bei vielen Russen mittlerweile für Schlafstörungen. In einer Umfrage unter den Lesern der Komsomolskaja Prawda sprachen sich im vergangenen Jahr 66 Prozent der Befragten für eine Abschaffung der permanenten Winterzeit aus.
Mittlerweile haben bereits sieben Provinzen Maßnahmen getroffen. Sie wechselten eigenmächtig in eine andere Zeitzone, damit es am Abend bloß nicht so früh dunkel wird. Viele weitere Provinzen überlegen, ihrem Beispiel zu folgen. Ob es in Russland in Zukunft wieder eine Sommer- und eine Winterzeit geben wird, ist aber eher unwahrscheinlich. Erst im letzten Jahr scheiterte solch eine Gesetzesinitiative in der Duma.