Zeitumstellung in der EU Ein emotional diskutiertes Thema
Noch bis heute Abend können EU-Bürger über die Abschaffung der Sommerzeit abstimmen. Diskutiert wird darüber heftig - auch im EU-Parlament. Doch das letzte Wort haben die Mitgliedsstaaten.
Der Riss geht quer durch alle Fraktionen, quer durch alle Parteien im Europaparlament. Kaum ein Thema, das so emotional diskutiert wird wie die Zeitumstellung. Erbitterte Gegner hier, glühende Befürworter dort. Regelmäßig, ungefähr alle fünf Jahre, kommt das Thema Zeitumstellung auf die Tagesordnung des Europaparlaments.
Kaum ein anderes Thema mobilisiere so viele Wähler wie die Zeitumstellung, so jüngst der CDU-Abgeordnete Dieter Koch aus Thüringen. "Betroffen sind oft kranke Menschen, Menschen mit psychischen Problemen, und diejenigen, die im technischen Bereich Flugzeiten umstellen müssen, Flugzeuge umleiten müssen, bei der Bahn - überall dort, wo es technische Probleme gibt."
Nicht zu vergessen: Familien mit kleinen Kindern und Landwirte mit Tieren. Jeder kann zum Thema Zeitumstellung etwas sagen, berichtet auch der Leipziger Abgeordnete Hermann Winkler: Zum einen, weil es wirklich jeder am eigenen Leib erfahren habe, zum zweiten, weil jeder glaube Fachfrau oder Fachmann zu sein.
Große Mehrheit gegen Zeitumstellung
Auch Experten befassen sich seit Jahren mit dem Thema. Seit die Zeitumstellung in der EU verbindlich ist - also seit 1996 - werden Jahr für Jahr Studien angefertigt. Immer wieder kommen sie zu ganz gegensätzlichen Schlussfolgerungen, so der Thüringer EU-Abgeordnete Dieter Koch: "Es gibt Studien, die das eine wie das andere herauskriegen. Ich glaube, da muss man einfach dem einen oder dem anderen glauben, und es ist ein Stück weit Psychologie."
Die EU-Kommission hat jetzt mit der Befragung der über 500 Millionen EU-Bürger Neuland betreten. Brüssel will sich ein Stimmungsbild machen. Bei einer Umfrage einer Krankenkasse in Deutschland hatte sich eine große Mehrheit gegen die Zeitumstellung ausgesprochen.
Kämpfer für die Beibehaltung
Der rheinland-pfälzische Abgeordnete Werner Langen hat andere Umfragen zur Hand. Demnach haben die meisten Menschen überhaupt kein Problem mit der Zeitumstellung: "Für mich ist das unvorstellbar, dass die schweigende Mehrheit in Deutschland sich von einigen wenigen Ideologen so beeinflussen lässt."
Wenn es um die Gesundheit ginge, dann müsse man auch über ganz andere Dinge reden, meinte Langen im Frühjahr im Europaparlament: "Warum diskutieren wir hier nicht über den Vollmond?" Er höre immer in seinem Heimatland, dass 25 Prozent der Menschen zwölf Mal im Jahr unter dem Vollmond leiden würden. "Sie können nicht schlafen. Und wenn ich ansehe, wo Depressionen entstehen - nämlich da, wo das Sonnenlicht fehlt."
EU-Mitgliedsstaaten haben das letzte Wort
Die Debatte im Europaparlament endete bekanntermaßen mit keinem klaren Votum für oder gegen die Zeitumstellung. Jetzt wird die EU-Kommission noch mal prüfen und prüfen und prüfen. Doch - und das ist entscheidend - am Ende haben ohnehin die EU-Mitgliedsstaaten das letzte Wort in Sachen Zeitumstellung. Die haben schon aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse daran, dass im Binnenmarkt in einem Land die Sommer- und in einem anderen die Winterzeit gilt.
EU-Kommissarin Violeta Bulc hatte das Thema Zeitumstellung vor geraumer Zeit im zuständigen EU-Ministerrat angesprochen: "Ich habe ausdrücklich alle Minister aufgefordert, sich zu melden, ob irgendein Land den Status quo ändern will. Bis auf ein Land, das gerne darüber reden wollte, hat sich keiner gemeldet."