Al-Schifa-Klinik in Gaza WHO will Patienten aus der "Todeszone" holen
Die WHO plant eine Evakuierung des Al-Schifa-Krankenhauses in Gaza. Ihre Mitarbeiter beschreiben die Klinik nach einem Besuch als "Todeszone", sie hätten ein Massengrab gefunden. 291 Patienten seien noch dort.
Eine Stunde konnten am Samstag Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation WHO das umkämpfte Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza besuchen. Als "Todeszone" beschrieben sie die größte Klinik im Gazastreifen danach. Die Lage sei "verzweifelt".
"Die derzeitige Situation ist unerträglich und nicht zu rechtfertigen", erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus bei X.
Laut WHO befanden sich am Samstag noch 291 Patienten und 25 medizinische Mitarbeiter in der Klinik. Darunter seien 32 Kleinkinder in kritischem Zustand, 22 Dialysepatienten und zwei Menschen in Intensivbehandlung. Die von der Terrororganisation Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde im Gazastreifen hatte zuvor von 120 verbliebenen Patienten berichtet.
Am Sonntag teilte ein Sprecher der Behörde mit, dass mindestens 30 Säuglinge evakuiert worden seien. Die Babys sollten in medizinische Einrichtungen in Ägypten verlegt werden.
Verbliebene Patienten sollen verlegt werden
Man arbeite gemeinsam mit Partnerorganisationen an Plänen für die sofortige Evakuierung der Patienten, des Personals und ihrer Familien, schrieb die WHO in einem am Samstag veröffentlichten Bericht. Die Verlegung solle in den kommenden Tagen passieren, sobald ein sicherer Transport möglich sei.
In der aktuellen Situation könne das Krankenhaus seinen Betrieb nicht aufrechterhalten. Es fehlten dort Wasser, elektrischer Strom, Medikamente und medizinische Ausrüstung sowie Lebensmittel.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee
WHO: Haben Massengrab gefunden
Das WHO-Team habe am Eingang des Krankenhauses ein Massengrab vorgefunden und sei informiert worden, dass dort mehr als 80 Menschen begraben seien, schrieb die Weltgesundheitsorganisation. Es habe Spuren von Schüssen und Gewehrfeuer gegeben. Die Gänge und das Gelände des Krankenhauses seien voller medizinischer und anderer Abfälle, was das Infektionsrisiko erhöhe.
Die israelische Armee sucht auf dem Gelände der Al-Schifa-Klinik seit Tagen nach der Hamas-Einsatzzentrale, die sie unter dem weitläufigen Komplex vermutet. Nach Angaben des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanyahu haben Soldaten unter der Klinik eine Hamas-Kommandozentrale entdeckt - Belege für diese Aussage wurden bisher nicht veröffentlicht.
Am Samstag hatten Hunderte Menschen den Krankenhauskomplex zu Fuß in Richtung Süden verlassen. UN-Angaben zufolge hatten sich vor Eintreffen der israelischen Armee auf dem Gelände am Mittwoch rund 2.300 Patienten, Verletzte und Vertriebene in dem Krankenhauskomplex befunden.
Tote im Süden des Gazastreifens
Auch im Süden des Gazastreifens griff Israel an. In der Stadt Chan Yunis starben dabei nach Angaben einer Klinik seit Samstag mindestens 47 Menschen. Ein Fotograf berichtete der Nachrichtenagentur dpa, in der Klinik seien viele Leichensäcke aufgereiht gewesen. Die israelische Armee veröffentlichte bisher keine Mitteilung zu den Berichten über Angriffe im Süden. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant hatte zuvor angekündigt, die Angriffe im Gazastreifen würden in Kürze auf den Süden ausgeweitet.
Das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen - vor allem die Erstürmung des Al-Schifa-Krankenhauses - hatten international Kritik hervorgerufen. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich in einem Telefonat mit Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu für "humanitäre Feuerpausen" im Gazastreifen aus, um die Bevölkerung besser zu versorgen.
Netanyahu habe daraufhin die "israelischen Bemühungen zum Schutz von Zivilisten" erläutert, diese würden aber weiterhin "von der Hamas konterkariert".
Hamas berichtet von vielen Toten im Gazastreifen
Der Krieg zwischen der islamistischen Hamas und Israel hatte am 7. Oktober begonnen. Damals drangen Hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas nach Israel ein und verübten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten. Rund 1.200 Menschen in Israel wurden nach israelischen Angaben getötet, zudem wurden etwa 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion auf den Angriff der Hamas begann Israel mit massiven Angriffen auf Ziele im Gazastreifen, inzwischen sind auch Bodentruppen in das Gebiet eingerückt. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit Beginn der Angriffe rund 12.300 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet.