UNICEF-Bericht 370 Millionen Mädchen Opfer sexualisierter Gewalt
Zum Anlass des diesjährigen Weltmädchentages präsentiert UNICEF erstmals eine Erhebung zur sexualisierten Gewalt gegen Mädchen und minderjährige Frauen. In Kriegs- oder Krisenregionen ist die Zahl der Opfer besonders hoch.
Die Zahlen der UNICEF-Erhebung sind schockierend und bilden vermutlich nicht einmal das ganze Ausmaß sexualisierter Gewalt ab. Jedes achte Mädchen auf der Welt hat schon vor seinem 18. Lebensjahr eine Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauch erlitten. Weltweit sind das 370 Millionen betroffene Mädchen und minderjährige Frauen.
Besonders gefährdet sind Mädchen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren, sagt Claudia Cappa, Kinderschutzexpertin bei UNICEF in New York und Leiterin der Erhebung. Die körperliche Gewalt verursache bei den Mädchen tiefe und lang anhaltende Traumata: "Sie leiden darunter ihr Leben lang und sie denken ihr Leben lang daran. Das hat nicht nur emotionale Folgen, sondern auch psychische."
"Schandfleck auf unserem moralischen Gewissen"
Die Täter sind oft Männer aus dem familiären Umfeld, denen die Mädchen eigentlich vertraut hatten. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen spricht von einem "Schandfleck auf unserem moralischen Gewissen". Zählt man auch verbale sexualisierte Gewalt oder Online-Attacken dazu, ist sogar weltweit jedes fünfte Mädchen betroffen.
UNICEF hat diese Zahlen zum ersten Mal vorgelegt. Die Daten stammen aus repräsentativen Erhebungen in 120 Ländern, durchgeführt in den Jahren 2010 bis 2022. Die Ergebnisse decken 80 Prozent der Weltbevölkerung ab, sagt Cappa: "Das sind Haushaltsbefragungen, durchgeführt von den staatlichen Statistikämtern. Es handelt sich also um eine Schätzung und keine Zählung."
Missbrauch als Waffe
Demnach gibt es sexualisierte Gewalt gegen Mädchen auf allen Kontinenten und in allen Kulturkreisen. Besonders hoch ist die Zahl der Betroffenen in Kriegs- oder Krisenregionen. Dort ist sogar jedes vierte Mädchen Opfer von Vergewaltigungen oder sexualisierter Gewalt geworden. In Kriegen werden Vergewaltigungen und sexueller Missbrauch von minderjährigen Frauen auch gezielt als Waffe eingesetzt.
Cappa fordert die Staaten in aller Welt auf, mehr zu tun, um Mädchen besser vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Dabei gehe es nicht nur um härtere Strafen für die Täter: "Wir müssen die Ungleichbehandlung der Geschlechter bekämpfen, ebenso falsche Vorstellungen über Männlichkeit und sexuelles Anspruchsdenken der Männer sowie die Stigmatisierung der Opfer."
Auch wenn sich das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen aus Anlass des Weltmädchentages am 11. Oktober auf sexualisierte Gewalt gegen Mädchen konzentriert - UNICEF betont, dass auch Jungen Opfer von Vergewaltigung und Missbrauch sind. Doch dazu gibt es noch erhebliche Datenlücken und eine hohe Dunkelziffer.