Krieg gegen die Ukraine Mariupol bittet um militärische Hilfe
Kaum noch Lebensmittel, kein Strom und kein Wasser mehr - angesichts der verzweifelten Lage in Mariupol hat der Bürgermeister um militärische Unterstützung gebeten. In Kiew waren am Nachmittag mehrere Explosionen zu hören.
In der eingekesselten Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine wird die Lage offenbar immer dramatischer. Lebensmittel gingen aus, es gebe kein fließendes Wasser, keine Heizung, keinen Strom mehr, sagte der Bürgermeister der Stadt, Vadym Boychenko, in einem Video. Er bat um militärische Unterstützung und einen Korridor, über den sich Zivilisten in Sicherheit bringen könnten.
Der stellvertretende Bürgermeister Sergej Orlow sprach im Interview mit den tagesthemen von mehr als 40 Stunden Dauerbeschuss - dabei sollen auch Schulen und Krankenhäuser getroffen worden sein. "Putin verfolgt einen Krieg wie in Aleppo", sagte Orlow laut Angaben der Nachrichtenagentur AFP im Radio der BBC. "Ich bin überzeugt, er will die Ukraine zerstören und Mariupol ist auf dem Weg, zerstört zu werden."
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Selenskyj-Berater verhalten zuversichtlich
Andere Kräfteverhältnisse scheinen dagegen in der Stadt Mykolajiw westlich von Mariupol zu herrschen: Dort wurden nach Angaben der ukrainischen Regionalbehörden russische Truppen vertrieben. In den Außenbezirken werde aber weiter gekämpft, sagte Gouverneur Vitalii Kim. Er hatte am Vormittag mitgeteilt, dass russische Soldaten in die Stadt am Schwarzen Meer vorgedrungen sein. Später erklärte er, die Vorstöße der russischen Armee seien zurückgeworfen worden.
Über die Entwicklung in Mykolajiw zeigte sich der Berater des ukrainischen Präsidenten, Olexii Arestowytsch, verhalten zuversichtlich. Auch die weiter westlich gelegene Metropole Odessa sei keiner unmittelbaren Gefahr ausgesetzt. Die Lage in Mariupol bezeichnete er als "unter Kontrolle". Auch das britische Verteidigungsministerium meldete dies. Die zivile Infrastruktur sei allerdings weiterhin intensivem Beschuss durch das russische Militär ausgesetzt, so die Nachrichtenagentur Reuters.
Mehrere Explosionen in Kiew
Nach AFP-Informationen hat Russland seine Angriffe am Freitag noch einmal verstärkt - laut Reuters wurde der Beschuss auf die Städte Charkiw und Tschernihiw noch einmal intensiviert. Die Hauptanstrengungen der Besatzer konzentrierten sich aber auf die Einkreisung Kiews, hieß es in einem Bericht der ukrainischen Streitkräfte vom Morgen. Demnach rückten russische Einheiten immer dichter an die Hauptstadt heran. Am Nachmittag waren in der Stadt mehrere Explosionen in schneller Reihenfolge zu hören. Sirenen warnten vor einem Angriff. Der genaue Ort der Explosionen konnte bislang nicht lokalisiert werden.
Auch in der Nacht war in Kiew mehrfach Luftalarm ausgelöst worden. Die Bewohner sollten sich in Luftschutzbunker in Sicherheit bringen.
Einen Erfolg meldete die ukrainische Seite vom strategisch wichtigen Flugplatz Hostomel nordwestlich von Kiew. Demnach hätten sich die russischen Truppen von dort zurückgezogen. Der Flughafen ist seit Beginn der Invasion Schauplatz von Gefechten. Dort waren Fallschirmjäger abgesetzt worden, die vermutlich die Landung von russischen Transportmaschinen sichern sollten - das misslang.
Marineschiff selbst versenkt
Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow berichtete, dass die Marine ihr Flaggschiff "Hetman Sahajdatschnyj" selbst versenkt habe, damit es nicht in gegnerische Hände falle. Die Fregatte lag zur Reparatur vor Anker.
Laut Resnikow halten ukrainische Kräfte trotz verstärkten Angriffen Russlands an strategisch wichtigen Orten den Angreifern Stand, etwa in den nordostukrainischen Gebieten Sumy und Tschernihiw. "Der Feind ist verwirrt und eingeschüchtert", schrieb Resnikow bei Facebook.
Die ukrainischen Streitkräfte hätten zudem große Mengen an Militärtechnik und Waffen erbeutet sowie mehr als 10.000 russische Soldaten getötet, behauptete er. Der ukrainische Generalstab hatte kurz davor noch von gut 9100 getöteten Gegnern gesprochen. Westliche Experten zweifeln diese hohen Zahlen an. Das russische Verteidigungsministerium hatte am Mittwoch von 498 gefallenen Soldaten gesprochen. Angaben zu eigenen und feindlichen Verlusten gelten generell als unzuverlässig und sind häufig Teil der Propanda.