Weitere Proteste in Tunesien Tausende trauen der Übergangsregierung nicht
Trotz des Versprechens demokratischer Reformen haben in Tunesien erneut Tausende gegen die Übergangsregierung von Ministerpräsident Ghannouchi protestiert. Erneut nahmen zahlreiche Polizisten teil. Die EU bekräftigte ihr Angebot, den Übergang zur Demokratie zu unterstützen.
Die tunesische Übergangsregierung um Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi hat trotz weiterer Reformversprechen bei vielen Bürgern noch kein Vertrauen gewonnen. Tausende Menschen protestierten am Samstag erneut gegen die derzeitige Staatsführung.
Auch zahlreiche Polizisten in Uniform und in Zivil schlossen sich den Demonstranten an. Vor dem Regierungssitz in Tunis demonstrierende Polizisten blockierten kurzzeitig das Auto von Übergangspräsident Foued Mebazaa, berichtetet die Agentur AFP. Die Polizisten fordern unter anderem die Gründung einer eigenen Gewerkschaft und höhere Löhne. Wegen ihres gewaltsamen Vorgehens gegen die politischen Proteste der vergangenen Woche geriet die tunesische Polizei in Verruf, anders als die Armee, die sich von Beginn an auf die Seite der Bürger gestellt hatte.
Ghannouchi verspricht Rückzug nach der Wahl
Regierungschef Ghannouchi versprach am Freitagabend bei einem Interview mit dem tunesischen Fernsehen, die Übergangsphase werde "mit demokratischen und transparenten Wahlen" zu Ende gehen. Er selber werde sich nach den Wahlen aus der Politik zurückziehen. Ghannouchi ist seit 1999 Ministerpräsident und war ein enger Weggefährte von Präsident Zine el Abidine Ben Ali, der nach Saudi-Arabien geflohen ist. Außerdem kündigte er an, "sämtliche undemokratischen Gesetze" abzuschaffen, die unter dem früheren Regime eingeführt wurden. Er nahm damit Bezug sowohl auf Wahl- als auch auf Antiterror- und Mediengesetze, die unter Ben Ali eingeführt worden waren.
Seit Freitag hängen die Flaggen zur Trauer für die bis zu 100 Toten des Volksaufstandes im ganzen Land auf Halbmast. Die Staatstrauer dauert bis Sonntag. In der kommenden Woche sollen dann die seit zwei Wochen geschlossenen Hochschulen schrittweise wieder geöffnet werden. Am Dienstag soll zunächst in den Ingenieursschulen und den Einrichtungen der Lehrerausbildung der Unterricht wiederaufgenommen werden.
EU bekräftigt Angebot zur Unterstützung
EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton bot indes noch einmal die Hilfe der Europäischen Union beim Übergang zur Demokratie an. Die EU arbeite an konkreten Maßnahmen, die Tunesien helfen sollten, eine Demokratie aufzubauen und die sozialen Probleme zu lindern. "Dazu gehören die Unterstützung von Wahlen, finanzielle Zusammenarbeit und die Förderung einer unabhängigen Justiz", sagte Ashton der "Welt am Sonntag".
Die EU müsse jetzt helfen, eine neue Demokratie in Tunesien zu gestalten, die die Fehler der Vergangenheit korrigiere. "Tunesien hat einen Punkt erreicht, von dem es kein Zurück mehr gibt", fügte sie hinzu. Zugleich forderte die EU-Chefdiplomatin, die Oppositionspolitiker in der Übergangsregierung ausreichend zu berücksichtigen: "Die neue Regierung in Tunesien muss so umfassend wie möglich sein und der Opposition eine klare Rolle geben und ihr eine deutliche Stimme verleihen." Wichtig sei, dass es zu einem friedlichen Übergang zur Demokratie komme.
Vor wenigen Tagen hatte das Europaparlament bereits über die Lage nach dem Volksaufstand in Tunesien debattiert. Dabei kam auch zur Sprache, dass die EU jahrelang das Regime Ben Ali unterstützt hatte und nicht die Opposition.