Parlamentswahl in Kanada Dämpfer für den Strahlemann
Kanadas Premier kann weitermachen, braucht aber die Unterstützung kleinerer Parteien. Das Regieren dürfte für den Strahlemann noch aus anderen Gründen nicht leichter werden.
Justin Trudeau lässt stundenlang auf sich warten, bevor er sich seinen Wählern zeigt. Als er endlich in Montreal ans Mikrofon kommt, grätscht er genau in die zeitgleiche Rede seines unterlegenen Rivalen Andrew Scheer. "Von Küste zu Küste zu Küste haben die Kanadier einer Spaltung und dem Negativen eine Absage erteilt", sagt Trudeau. Damit spielt er auf den Wahlkampf an, denn sein Rivale offensiv auf Trudeaus Fehlern ausgetragen hatte.
Trudeau sieht müde aus. Der lange Wahlabend hat ihn sichtlich auf die Folter gespannt. Die Wähler hätten für eine fortschrittliche Agenda gestimmt und für den Kampf gegen den Klimawandel: "Ich habe Euch verstanden, meine Freunde", sagt Trudeau. "Ihr sendet unser liberales Team zurück an die Arbeit in Ottawa."
Absolute Mehrheit verloren
Trudeau gibt sich Mühe zu strahlen. Doch wie strahlt einer, der gleichzeitig Gewinner ist und doch Verlierer? Denn Trudeau darf zwar weitermachen. Doch ohne absolute Mehrheit. Seine Liberalen haben im Parlament voraussichtlich 157 Sitze von 338 bekommen. Nicht genug, um allein regieren zu können.
Sie brauchen künftig die Unterstützung kleinerer Parteien. Das können die Grünen sein oder die Sozialdemokraten. Deren Anführer, der Sikh Jakmedet Singh, machte bereits Andeutungen. Er und der neue Premierminister hätten am Wahlabend bereits miteinander gesprochen: "Wir wollen sicherstellen, dass die Energie des Wahlkampfs und die Konzentration auf die Menschen sich fortsetzt", sagte Singh. "Damit wir eine konstruktive und positive Rolle in der neuen kanadischen Regierung spielen können."
Kein Wunder, dass sie mitmachen wollen, denn die Sozialdemokraten haben das schlechteste Ergebnis seit 1993 eingefahren. Sie landeten lediglich auf Platz vier.
Konservative stehen bereit
Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen bis zur letzten Minute - wie vorhergesagt. Doch am Ende holte Trudeaus Herausforderer nicht, was er sich erhofft hat. Die Enttäuschung steht dem konservativen Andrew Scheer ins Gesicht geschrieben. Auch, wenn er lächelt: "Das heutige Ergebnis ist nicht das, was wir wollten", bedauert Scheer und gibt sich schon wieder kampfbereit: "Heute haben die Konservativen Justin Trudeau gewarnt. Herr Trudeau, wenn Ihre Regierung kippt, stehen wir Konservativen bereit und werden gewinnen."
Zeigte sich trotz Niederlage kämpferisch: der Spitzenkandidat der Konservativen Scheer
Der Konservative setzte Trudeau im Wahlkampf zu, ritt auf seinen leeren Wahlversprechen herum, nutzte seine Skandale und nannte Trudeau einen Betrüger. Trudeau war unter anderem wegen eines Skandals um ein Foto angeschlagen gewesen, das in mit dunkel geschminktem Gesicht zeigt. Er soll außerdem versucht haben, einen Korruptionsskandal unter den Tisch zu kehren. Der neue Premierminister kann jetzt schon davon ausgehen, dass sein unterlegener konservativer Rivale ihm das Leben auch in der Minderheitsregierung nicht leichter machen wird.