EU-Reaktionen auf Wahl in Spanien Was hat das zu bedeuten?
Die traditionellen Großparteien haben bei der Parlamentswahl in Spanien drastisch verloren, eine Regierungsbildung wird wohl schwierig. Doch was bedeutet die Entscheidung der Wähler? Darüber gibt es in Europa sehr unterschiedliche Ansichten.
Die EU-Kommission setzt trotz der schwierigen Mehrheitsverhältnisse in Spanien auf eine stabile Regierung in dem Land. Behördenchef Jean-Claude Juncker habe Ministerpräsident Mariano Rajoy, dessen konservative Partei stärkste Kraft wurde, schriftlich gratuliert, sagte eine Sprecherin in Brüssel. "Wir haben gute Hoffnung, dass eine stabile Regierung gebildet werden kann."
Rajoys Volkspartei (PP) hatte sich am Sonntag zwar als stärkste Kraft behauptet, aber etwa ein Drittel ihrer Sitze eingebüßt. Während Konservative und Sozialdemokraten deutlich an Stimmen verloren, gewannen Linke und Liberale Stimmen hinzu. Der Premier kündigte an, den Versuch zu unternehmen, eine neue Regierung zu bilden. Rajoy ließ aber offen, wer für ihn als Partner infrage käme. Der Führer der liberalen Bewegung Ciudadanos, Albert Rivera, betonte am Abend, seine Partei werde in der Opposition bleiben.
"Zwei-Parteien-System gescheitert"
Feststeht: Erstmals in der jüngeren Geschichte werden vier statt bislang zwei Parteien mit starken Fraktionen im Parlament vertreten sein. "Das Zwei-Parteien-System ist gescheitert", sagte die Grünen-Europaabgeordnete Ska Keller.
Auch andere Politiker diskutieren über den Wahlausgang in Spanien. Grund für das Wahlergebnis sei die schwierige wirtschaftliche und soziale Situation in Spanien, meint der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann. "Die Wählerinnen und Wähler sind nicht bereit, die extrem hohe Arbeitslosigkeit zu akzeptieren." Und für die sei die alte Regierung mitverantwortlich gemacht worden.
Signal an Europa
Spanien steht als Defizitsünder unter besonderer Beobachtung der EU-Währungshüter. Das Land soll im kommenden Jahr wieder die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung einhalten. Die EU-Kommission erwartet aber einen überhöhten Wert von 3,5 Prozent, so dass in Madrid weitere Sparschritte nötig sein dürften. Fabio de Masi, Europaabgeordneter der Linken, sieht in dem Wahlergebnis daher auch ein Signal an Europa: "Das ist vor allem ein Misstrauensvotum, jetzt nach Griechenland und Portugal, das dritte gegen die gescheiterte Kürzungspolitik in Europa."
Wahlergebnis als Weckruf
Ende September hatte die linksgerichtete Syriza von Alexis Tsipras in Griechenland die Wahl gewonnen. Kurz darauf, Anfang Oktober, verlor die konservative Regierung in Portugal die absolute Mehrheit. Die drei linken Oppositionsparteien gewannen zusammen mehr als die Hälfte aller Sitze im Parlament in Lissabon. Und nun ein ähnliches Bild in Spanien. Wollen Wähler in Europa einen Linksruck? Oder ist das ein Phänomen der früheren Euro-Krisenländer?
"Es ist mehr der Wunsch nach etwas Neuem", argumentierte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. Dieser sei aber auch verbunden mit einem Misstrauen gegen bestehende politische Eliten. In Polen zum Beispiel wählten die Menschen eher Rechts als Links, erläuterte Brok. Rechts und Links würden aus vergleichbaren Gründen heraus gewählt. "Das ist eigentlich das Phänomen, das wir ernst nehmen müssen." Für die etablierten Parteien – also auch seine eigene - müsse das Wahlergebnis in Spanien ein Weckruf sein.