EU-Kommission stellt neue Pläne vor Sozialpaket für unzufriedene Europäer
Die EU-Kommission will heute ein umfassendes Sozialpaket vorlegen. Das Gesetzespaket beinhaltet umfassende Anti-Diskriminierungs-Regeln. In Deutschland gelten die meisten davon bereits.
Von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Europa ist sozial! Drei Wochen nach dem gescheiterten Referendum in Irland nimmt die EU-Kommission Anlauf, um es allen zu zeigen. Chancengerechtigkeit, Teilhabe, Zugang, Solidarität - was auch immer das Handbuch Sozialpolitik hergibt, im neuen Sozialpaket der Kommission ist es zu finden. Und die Botschaft heißt: Europa lässt seine Bürger nicht allein. Besonders nicht die Bürger, die - aus welchen Gründen auch immer - von der gesellschaftlichen Norm abweichen und deshalb diskriminiert werden könnten.
Nikolaus van der Pas, Chef der Generaldirektion Beschäftigung, nennt ein ganz simples Beispiel: "Schon jetzt verbietet es das Europäische Recht, Behinderte im Arbeitsleben zu diskriminieren." Nun gelte es, weiter zu gehen und diese Diskriminierung in der ganzen Gesellschaft zu verbieten.
Viele Staaten taten sich jahrelang schwer
Klingt logisch, ist aber unerhört schwer. Tatsächlich haben sich die Mitgliedsstaaten der EU schon vor Jahren auf eine Handvoll Richtlinien verständigt. Darin geht es unter anderem um Rassismus, um Benachteiligung in der Berufswelt oder Chancengleichheit für Frauen. Obwohl von allen Regierungen beschlossen, taten sich viele Staaten schwer, diese Richtlinien in nationales Recht zu gießen. Auch die rot-grüne Regierung in Deutschland scheiterte. Erst Schwarz-Rot unter Angela Merkel stemmte ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, das - Überraschung! - über die EU-Richtlinien hinausging.
Das rentiert sich jetzt, sagt Evelyne Gebhardt, die für die SPD im Europaparlament sitzt, denn Kommissar Vladimir Spidla habe sich Deutschland als Vorbild genommen, zum Beispiel wenn es um die Rechte von Behinderten gehe.
Schulterklopfen für Deutschland
Tatsächlich kommt aus der Generaldirektion Beschäftigung gerade dickes Lob für Berlin: "Deutschland, gut gemacht, Ihr wart die Pioniere, entspannt Euch", ist in Brüssel zu hören. Denn fast alles, was Kommissar Spidla heute vorschlagen wird, ist in Deutschland bereits Gesetz: Niemand darf bei der Wohnungssuche wegen seiner Herkunft oder sexuellen Ausrichtung abgewiesen werden, Rollstuhlfahrer haben ein Recht auf Zugang zu Behörden und Restaurants, kein Hotel darf Behinderte abweisen, und anderes mehr.
Dennoch wird es auch in Zukunft Ausnahmen geben: Kirchen dürfen weiter Mitarbeiter gleichen Glaubens einstellen oder Geschiedenen die Tür weisen. Und in der Bildungspolitik bestimmt jeder Staat selbst, was gelehrt wird. Überhaupt weist Brüssel darauf hin, dass die kulturellen Unterschiede der Staaten erhalten bleiben.
Richtlinie kommt nicht vor 2009
Trotz des Lobs für Deutschland fürchten die deutschen Konservativen und die Arbeitgeber, dass nun noch mehr teure Bürokratie aus Brüssel droht. Nach Angaben des Deutschen Handwerks habe das deutsche Antidiskriminierungsgesetz bisher 1,73 Milliarden Euro gekostet, um Mitarbeiter zu schulen.
Josef Daul allerdings, Franzose und Chef der Konservativen im Europaparlament, sieht die Sache realistisch: Die Richtlinie komme nicht vor 2009 - und dann seien erstmal Wahlen.