UN-Sicherheitsrat Fragen, Zweifel und Beschuldigungen
Auf Antrag Russlands hat sich der UN-Sicherheitsrat mit dem Fall des vergifteten Ex-Spions Skripal befasst. Der russische UN-Botschafter Nebensja teilte dabei kräftig gegen den Westen aus.
Eigentlich sollten Redner im Sicherheitsrat sich auf fünf Minuten oder weniger beschränken. Doch der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja redet weit über eine halbe Stunde. Es ist ein Trommelfeuer von Fragen, Zweifeln und Beschuldigungen.
Großbritannien betreibe mitsamt seiner Verbündeten eine Vorverurteilung ohne Beweise ganz so wie in dem Buch "Alice im Wunderland", aus dem Nebensja sogar vorliest: "'Nein, nein', sagte die Königin, 'Erst die Strafe. Dann die Verurteilung.'"
"Theater des Absurden"
Warum, so fragt Nebensja, sollte Russland acht Jahre mit einem Mordanschlag gewartet haben? Schließlich sei Skripal nach seiner Verurteilung als Doppelagent schon 2010 nach Großbritannien entlassen worden. "Warum durfte er das Land überhaupt verlassen?", argumentiert er. "Warum ein so seltsamer und gefährlicher Mordanschlag für alle in Skripals Nähe - und so öffentlich?" Und dann hätten die Mörder ihre Arbeit noch nicht einmal richtig zu Ende gebracht.
Konnte Großbritannien sich nicht eine bessere Fake-Story ausdenken, höhnt Nebensja. Selbst das Forschungszentrum des britischen Verteidigungsministeriums habe zwar das Mittel Nowitschok bestätigt, nicht aber dessen Herkunft. Man erlebe ein Theater des Absurden und habe den britischen Kollegen gesagt: Sie spielten mit dem Feuer und das werde ihnen noch leid tun.
Nebentsja las in seiner Rede auch aus Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" vor.
"Methoden von Doktor Goebbels"
Nur ein Platz trennt derzeit Russland und Großbritannien am Tisch des Sicherheitsrats. Dort sitzt inmitten des hitzigen Schlagabtausches Schwedens Vertreter Carl Skau. Er hat noch vor der Sitzung Großbritannien - wie andere auch - der Solidarität seines Landes versichert. "Wir teilen die Bewertung Großbritanniens, dass Russland sehr wahrscheinlich verantwortlich ist", sagte er. "Wir sehen keine andere plausible Erklärung."
Nun lehnt Skau sich mit verschränkten Armen zurück, blickt starr auf den Tisch vor sich. Doch Russlands UN-Botschafter ist noch lange nicht fertig. Es handele sich um eine gut vorbereitete Kampagne gegen Russland, sagt er. Und zieht dann gar noch einen Vergleich mit dem Propagandaminister der Nazis. Dies seien die Methoden von Doktor Goebbels, schimpft Nebensja. "Lügen, die man tausendmal wiederholt, werden zur Wahrheit."
Ende der Freundlichkeiten
Vor dem Treffen gab es noch einen freundlichen Händedruck mit der britischen UN-Vertreterin Karen Pierce. Doch das ist nun vorbei. "Ich höre mir keine Moralpredigten von einem Land an, das alles getan hat, um Ermittlungen gegen Syriens Chemiewaffen zu verhindern", erwidert Pierce.
Dass Russland in dem Fall zusammen mit der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) ermitteln wolle, sei doch wohl so, als wolle der Brandstifter sein eigenes Feuer untersuchen. Viel besser sei es doch, so die Britin, jetzt erst einmal die OPCW-Ergebnisse kommende Woche abzuwarten.
Die US-Vertreterin Kelley Currie weist vor allem den Nazi-Vergleich als vollkommen unangemessen zurück. Russland solle den Sicherheitsrat nicht für politische Spiele nutzen. Auch für die USA stehe außer Frage, dass Russland hinter dem Anschlag stecke. "Man weiß, dass Russland militärische Nervengifte des Typs entwickelt hat, der in Salisbury genutzt wurde", so Currie. "Und Russland hat eine gut belegte Vergangenheit, staatlich unterstützte Morde durchzuführen."