Bildung im Stadtstaat Das Geheimnis von Singapurs PISA-Erfolg
Warum schneidet Singapur bei PISA-Studien so gut ab? Ein Grund sind moderne Klassenzimmer und Unterrichtsmethoden. Die Schüler lernen aber auch deutlich länger - etwa am Nachmittag und in den Ferien.
Jeden Morgen begrüßen die Kindergarten-Kinder ihre Lehrerin auf Englisch und Chinesisch. In Singapurer Kindergärten betreuen Lehrerinnen und Lehrer die Kleinen, denn Bildung beginnt hier früh - das ist ein Geheimnis des PISA-Erfolgs. Zweisprachige Erziehung für Dreijährige ist selbstverständlich. Dass Kinder erst in der Grundschule Lesen und Schreiben lernen ist für Singapurer eine befremdliche Vorstellung.
Großer Ehrgeiz
Auch der Ehrgeiz der Eltern ist meist groß. "Ich schicke meine Kinder am Nachmittag in die Förderklasse", erzählt eine Mutter, "vor allem wegen Chinesisch und Englisch, da ist der Unterricht im Kindergarten nicht ausreichend. Außerdem gehen sie noch in eine Musikklasse, um Klavier und Geige zu lernen."
Die armen Kleinen, denen die Kindheit geraubt wird - denkt da der Europäer. Singapurer würden entgegnen: Wieso sollte Lernen den Kindern keinen Spaß machen?
Die Klassenzimmer in Singapur sind meist technisch sehr gut ausgestattet.
Angewandtes Lernen
Stolz präsentieren etwa die Schüler einer Singapurer Oberstufe ihren computergesteuerten Bewässerungsautomaten für Pflanzen. Wird die Erde zu trocken, springt eine Pumpe an. "Wenn Leute etwa in Urlaub fahren und keinen haben, der auf die Blumen aufpasst - für die ist das doch ungeheuer praktisch", erläutert ein Schüler. Applied learning - angewandtes Lernen heißt in Singapur, dass die traditionellen Grenzen zwischen Mathematik, Biologie und Physik verschwimmen.
"Schule muss Spaß machen", sagt Ho Peng, Direktorin im Kultusministerium. Denn nur wenn Schüler interessiert und begeistert seien, zeigten sich auch Lernerfolge. Heißt auch beispielsweise: Facebook nicht als Störfaktor zu begreifen, sondern als Bereicherung. "Die Kinder kommen technisch aus einer völlig anderen Welt als wir", sagt Ho. "Internet, Facebook und so weiter. Wenn wir uns mit dieser Welt unserer Kinder nicht vertraut machen, werden wir sie verlieren."
Digitale Schulen
Schultafeln haben schon lange ausgedient in Singapur, alle Schüler sind mit Computermonitoren ausgestattet. Die südostasiatische Finanzmetropole kann es sich leisten, viel Geld in Bildung zu investieren, und die hat traditionell einen hohen Stellenwert. Die Ausstattung der Schulen ist verglichen mit Deutschland ein Traum. "Wir versuchen, alle verfügbaren Techniken in den Unterricht zu integrieren", erklärt Schuldirektor Abraham Lynn:
In einer Klasse mit 40 Schülern etwa ist es nahezu unmöglich, dass alle 40 Schüler in einer Stunde ihre Fragen stellen. Wenn wir das Instant-Messenger-Tool nutzen, öffnen wir 40 Fenster zu 40 Kindern gleichzeitig. Sie können 40 Fragen zur gleichen Zeit stellen, die der Lehrer destillieren kann. Es ist auch spannender für die Kinder, weil sie die Techniken nutzen können, in denen sie ohnehin schon gut sind, nicht bloß einen Füller oder Bleistift.
Kindheit als Vorbereitung fürs Leben
Der Druck auf die Schüler ist in einer durch und durch auf Leistung gepolten Gesellschaft natürlich hoch - vonseiten der Schule, der Familie und den Klassenkameraden. Gute Schulnoten haben einen extrem hohen Stellenwert, undenkbar dass in Singapur jemand damit kokettiert, immer schlecht in Mathe gewesen zu sein.
Der westliche Einwand der gestohlenen Kindheit stößt daher eher auf Ratlosigkeit: "Kindheit ist doch dafür da, um sich bestmöglich aufs Leben vorzubereiten." Momentan sind übrigens Schulferien in Singapur, die meisten Schüler verbringen sie in Lerncamps mit Büffeln.