Streit um Schengen-Abkommen EU-Staaten wollen freie Hand für Grenzkontrollen
Die EU-Innenminister wollen künftig wieder Grenzkontrollen in Europa durchführen, falls das Funktionieren des Schengen-Raums etwa durch viele Flüchtlinge bedroht scheint. Das teilte die EU-Ratspräsidentschaft per Twitter mit. Das neue Schengen-Abkommen sieht einen entsprechenden Notfall-Mechanismus vor.
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich nach monatelangen Verhandlungen offenbar auf eine Neufassung des Schengener Abkommens verständigt. Es habe eine "einstimmige Unterstützung" für die Schengen-Reform gegeben, teilte die dänische EU-Ratspräsidentschaft über den Internet-Nachrichtendienst Twitter mit. Mehrere EU-Diplomaten bestätigten, dass eine überarbeitete Fassung beschlossen worden sei.
Die EU-Länder beschlossen demnach einen neuen Notfall-Mechanismus, wonach sie für insgesamt bis zu zwei Jahre wieder Grenzkontrollen einführen können, wenn "außergewöhnliche Umstände das Funktionieren des (Schengen-)Raums insgesamt ohne interne Grenzkontrollen gefährden". Gedacht ist der Mechanismus für eine Situation, in der die Schengen-Außengrenze durch eines der Mitgliedsländer etwa nicht gegen Flüchtlinge geschützt wird.
Viele Flüchtlinge nach arabischem Frühling
Auslöser der Neuregelung waren die Ankunft zahlreiche Flüchtlinge aus Nordafrika während des Arabischen Frühlings im vergangenen Jahr sowie die Tatsache, dass Griechenland mit der Kontrolle seiner Grenze zur Türkei überfordert ist. Nach Angaben der griechischen Regierung kommen jährlich 150.000 illegale Einwanderer nach Griechenland. Besonders Deutschland und Frankreich hatten sich dafür stark gemacht, eine Neuregelung zu schaffen.
Die EU-Länder schmetterten die Forderung der EU-Kommission ab, bei der Entscheidung über Grenzkontrollen das letzte Wort zu haben. Die EU-Kommission erhält aber eine starke Rolle in einem neuen Prüfverfahren, mit dem durch angekündigte sowie unangekündigte Kontrollbesuche in den Mitgliedsländern die Anwendung der Schengen-Vorschriften überprüft wird.
Kritik an "Flüchtlings-Paranoia"
"Das letzte Entscheidungsrecht bleibt natürlich bei den Mitgliedsstaaten, denn wir sind verantwortlich für die Sicherheit unserer Bürger", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Der Regelung muss auch noch das Europaparlament zustimmen. "Die Reisefreiheit in der EU wird der Paranoia vor schutzsuchenden Migranten geopfert", kritisierte die Linken-Politikerin Ulla Jelpke. Die Grünen-Politiker Josef Winkler und Viola von Cramon warnten, dass innerhalb der neuen Regelung eine "Korrekturmöglichkeit seitens EU-Kommission oder Europäischem Parlament so gut wie nicht möglich" sei: "Ohne Kontrollmöglichkeiten sind nationale Alleingänge zur Aussetzung der europäischen Freizügigkeit vorprogrammiert."