Sitzung des EU-Parlaments Scharfer Gegenwind für Monsieur Sarkozy
Nicolas Sarkozy dürfte heute im Europa-Parlament erst einmal der Wind ins Gesicht wehen: Dass er zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele nach Peking fahren will, kam gestern im EU-Parlament gar nicht gut an. Quer durch alle Fraktionen hagelte es Kritik.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Es war eine echte Überraschung: Er werde sowohl als französisches Staatsoberhaupt als auch als EU-Vorsitzender teilnehmen, hatte Sarkozy gestern gesagt.
Daniel Cohn Bendit, Fraktionschef der Grünen im Europa-Parlament, nannte das einen Skandal: "Die einzige Erklärung ist, dass Sarkozy Atomkraftwerke nach China verkaufen will." Sarkozy stelle damit wirtschaftliche Interessen über die Menschenrechte. Hans Gert Pöttering (CDU), der Präsident des Europa-Parlaments, erklärte einmal mehr, er werde nicht zur Eröffnungsfeier nach Peking fahren.
Kann sich "Sarko" in den Dienst der EU stellen?
All das schürt das Misstrauen, das es ohnehin schon gegenüber Sarkozy gibt. Ob dieser in der Lage ist, als EU-Vorsitzender eigene persönliche und französische Interessen zurückzustellen, bezweifeln einige.
Martin Schulz, der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europa-Parlament, betonte, man werde Sarkozy unterstützen, "wenn er Frankreich und seine Präsidentschaft in den Dienst der EU stellt und nicht versucht, die EU in den Dienst der Interessen des französischen Präsidenten zu stellen."
EU steckt in der Sackgasse
In einem Punkt unterstützt man Sarkozy allerdings voll und ganz: wenn es darum geht, die Krise der EU zu meistern. In diesem Punkt gibt es große Erwartungen an den neuen EU-Vorsitzenden. Denn nach dem Nein der Iren zum EU-Reformvertrag steckt die EU wieder einmal tief in der Sackgasse.
Die gemeinsame Linie lautet: Wir machen weiter wie bisher, obwohl nicht klar ist, ob und wie die EU-Reform noch zu retten ist, nachdem die Iren sie abgelehnt haben. Die Länder, die den EU-Reformvertrag noch nicht ratifiziert haben, sollen das dennoch tun.
"Die beste Antwort auf unsere institutionellen Schwierigkeiten ist, dass wir trotz dieser Probleme weiter machen", meint auch Nicolas Sarkozy. Von ihm wird vor allem erwartet, dass er den Laden zusammen hält - was schwierig genug ist.
"Erstmal weiter so"
Der polnische Präsident Lech Kaczynski hat die gemeinsame Linie schon verlassen: Er weigert sich, den EU-Vertrag zu unterschreiben - er sei ja im Moment gegenstandslos.
Im Europa-Parlament dagegen gibt es eine breite Mehrheit für die Formel "erstmal weiter so“. Im Plenum wird man deshalb heute sehr genau hinhören, wie Sarkozy die EU aus der Krise führen will. Und an diesen Ankündigungen wird man ihn messen - am Ende des Jahres, wenn Sarkozy das EU-Zepter wieder abgeben muss.