Retter in der "Costa Concordia" Dunkel, kalt und lebensgefährlich
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit für die Rettungstaucher vor Italiens Küste. Zahlreiche Menschen werden weiterhin vermisst. Doch mehrfach mussten die Taucher die Suche aus Sicherheitsgründen unterbrechen. Für sie ist so eine Suche lebensgefährlich.
Von Carolin Fromm, NDR
Dunkel, kalt und voll mit Möbeln. So beschreiben die Rettungstaucher ihre Eindrücke von der "Costa Concordia". Sie könnten unter Wasser vielleicht zehn Meter weit sehen, sagt Bergungstaucher Eyk-Uwe Pap. Seit 20 Jahren arbeitet der Rostocker in havarierten Schiffen und hat großen Respekt vor der Arbeit der Italiener in der "Costa Concordia". "Die Koordination spielt eine gewaltige Rolle. Da sind so viele Gänge und Räume. Es ist sehr, sehr schwierig, sich auf einem verunglückten Schiff dieser Größe zu orientieren."
Unter Wasser herrscht "chaotische Unordnung"
Bei hunderten Schiffsbergungen war Pap schon dabei. Die Bilder und Radioberichte aus Italien erinnern ihn an seine großen Rettungsaktionen: bei der Ostseefähre "Estonia" oder bei der Rettung der Fähre "Jan Heweliusz", die vor knapp 20 Jahren vor Rügen unterging. "Es war eine chaotische Unordnung. Alles trieb an der Oberfläche des Raumes. Die LKW lagen auf der Seite, Paletten schwammen rum", erinnert sich Pap. Das Gefühl, in ein frisch untergegangenes Wrack zu tauchen, in dem persönliche Dinge rumschwimmen, sei sehr speziell.
Auch die Urlauber auf der havarierten "Costa Concordia" mussten alles zurücklassen, was sie für ihre Traumreise in die Koffer gepackt hatten. Viele der Passagiere aßen zu Abend, als das Schiff den Felsen rammte. Andere hatten sich schon schlafen gelegt. "Niemand weiß genau, wo sich die Menschen aufgehalten haben", erzählt Pap. "Man geht davon aus, dass die meisten in den Kabinen, Speisesälen und WCs sind und darauf sollte man sich bei der Suche konzentrieren." Die durchsuchten Räume würden anschließend mit einem Kreuz markiert, damit sie keiner zweimal kontrolliert.
Zu einer Bergung gehört ein großes Team
Jedes Schiffswrack sei anders und die Bergung darin jedes Mal wieder eine enorme Herausforderung für den Rettungstaucher und sein Team, erzählt Pap. Bis zu 50 Leute stehen hinter den Tauchern, die immer mindestens zu zweit in das Wrack hinuntersteigen. Per Funk halten sie Kontakt zum Einsatzleiter. "Als Taucher beschreibe ich genau, was ich sehe, wo ich mich gerade aufhalte und die Leute da oben versuchen das eins zu eins nachzuvollziehen und mich so durchs Schiff zu leiten," sagt der 47-Jährige. Schiffsarchitekten, Seevermesser und Taucher entwerfen einen minutengenauen Einsatzplan, bevor der erste Retter ins Wasser steigt.
"Ich will nicht sagen, dass ich während der Bergung komplett abschalte, aber ich denke kaum nach, sondern konzentriere mich auf die Arbeit. Die eigentlichen Probleme, das Nachdenken, kommen danach. Die kommen am Abend oder einen Tag später."
Angst vor hohem Wellengang
Elf Tote haben die Rettungstaucher bisher von der "Costa Concordia" geborgen. Über 20 Menschen werden noch vermisst, darunter mehrere Deutsche. Parallel wird die Bergung des Schiffwracks vorbereitet. Doch es wird noch mehr als ein Jahr vergehen, bis das Wrack des Kreuzfahrtschiffes die Bewohner von Giglio nicht mehr jeden Tag an dieses tragische Unglück erinnert.