"Paradise Papers" Des Politikers verborgene Schlösser
Der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Harald Leibrecht hat jahrelang verschleiert, dass er Luxusimmobilien in Großbritannien besitzt. Auch in seiner Zeit als Abgeordneter.
Das Schloss Wickham Court wurde im 15. Jahrhundert erbaut und liegt etwa eine halbe Autostunde südlich von London, auf einem sanften Hügel. Hier draußen, im Städtchen Croydon, ist der Trubel der Millionenmetropole London vergessen. Eine ruhige Allee schlängelt sich an Wickham Court vorbei. Wer nicht wüsste, dass hinter der dichten Baumreihe das imposante Bauwerk mit seinen vier Türmen liegt, würde glatt daran vorbei fahren. Es sind die perfekten Voraussetzungen für das Eliteinternat Wickham Court School, das heute in dem historischen Gebäude untergebracht ist.
Die auf den ersten Blick einfache Frage danach, wem dieses Schloss eigentlich gehört, stellt sich bei näherer Betrachtung als ziemlich kompliziert heraus. Denn Wickham Court gehört offiziell, so zeigt es eine Registerauskunft, einer Briefkastenfirma: der Radford Holdings Limited mit Sitz im Steuerparadies Jersey. Die Radford Holding wird wiederum von weiteren Offshore-Firmen verwaltet.
Weiteres Luxusgebäude in Briefkastenfirma
Erst die "Paradise Papers" geben Aufschluss darüber, wer den Prunkbau eigentlich besitzt: Der langjährige FDP-Politiker Harald Leibrecht, der von 2002 bis 2013 im Bundestag saß. Den Unterlagen zufolge teilt sich Leibrecht den Besitz der Briefkastenfirma mit seinen Geschwistern; mit einem Viertel der Aktien ist er Mehrheitseigner. Ausweislich der Dokumente war Leibrecht, ebenfalls mit seinen Geschwistern, noch an einem weiteren historischen Luxusgebäude beteiligt: das Royal Waterloo Building in London. Auch dieses steckte über Jahre hinweg in einem komplizierten Geflecht aus Firmen mit Sitz auf Jersey und in Liechtenstein.
Laut Unterlagen aus den "Paradiese Papers" haben es die Leibrechts Ende 2011 verkauft. Heute wird der Wert der Immobilie auf mehr als 40 Millionen Euro geschätzt. Auf Nachfrage erklärt Leibrecht, das Konstrukt sei völlig legal. Alle beteiligten Firmen seien den deutschen Steuerbehörden bekannt; die Erträge seien versteuert. Die komplizierten Besitzverhältnisse hätten sich aus einem Erbe ergeben.
Gebäude als Teil einer Internationalen Universität
Leibrechts Vater, Walter Leibrecht, habe die Gebäude demnach zu Lebzeiten privat erworben und anschließend an die von ihm gegründete Schiller International University vermietet. Weshalb der Vater dabei "bestimmte rechtliche Strukturen" gewählt hat, sei heute nicht mehr nachzuvollziehen. Vertrauliche Dokumente aus der Kanzlei Appleby deuten indes darauf hin, dass Walter Leibrecht die Konstruktion bewusst gewählt hat, um den Fiskus zu umgehen. In einer Notiz zu einer der fraglichen Briefkastenfirmen heißt es, sie sei "beheimatet in Jersey aus Steuergründen". Ob damit eine legale Steuervermeidung oder eine illegale Steuerhinterziehung gemeint ist und ob sich der Steuervorteil in Deutschland oder Großbritannien niederschlägt, geht aus den Daten nicht hervor. Harald Leibrecht möchte sich zu diesem Punkt nicht weiter äußern.
Die Kanzlei Appleby verwaltet Leibrechts Besitz.
Kritik von Grünen-Politiker
Leibrecht hat diese Offshore-Geschäfte nicht offengelegt. Auch nicht in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter. Und das, obwohl die Verhaltensregeln für Abgeordnete definieren, dass alle Beteiligungen an Kapitalgesellschaften anzeigepflichtig sind, "wenn dadurch ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss auf ein Unternehmen begründet wird".
Doch dies gelte nur, wenn einem Bundestagsabgeordneten mehr als 25 Prozent der Stimmrechte einer Firma zustehen. "Das war in meinem Fall nicht gegeben", erklärt Leibrecht. Für den Finanzpolitiker Gerhard Schick, der für die Grünen im Bundestag sitzt, zeigt der Fall, dass die Offenlegungspflichten für Bundestagsabgeordnete "immer noch nicht weitreichend genug sind". Die Offenlegungspflichten müssten verbessert und verschärft werden. Schließlich hätten die Wählerinnen und Wähler einen Anspruch darauf zu erfahren, welche konkreten finanziellen Interessen die Bundestagsabgeordneten haben - und das gelte erst Recht für Geschäfte in Steueroasen, so Schick.