Papst Franziskus predigt Barmherzigkeit Ein Satz als Programm
Barmherzigkeit ist für Papst Franziskus von zentraler Bedeutung. Schon bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach der Papstwahl im März hatte er Beichtvätern zugerufen: "Seid barmherzig!" Den Begriff Barmherzigkeit versteht er nicht nur abstrakt-theologisch.
Franziskus macht alles anders: Nur einen Tag nach seiner Wahl steigt dieser Papst ins Auto und lässt sich zur Kirche Santa Maria Maggiore fahren. Dort will er den Schutz der Mutter Gottes für sein Pontifikat erbitten. Die Fahrt absolviert er nicht in der Edel-Limousine, sondern er nimmt einen einfachen Wagen aus dem Fuhrpark des Vatikan.
"Seid barmherzig!"
Das war ein Auftakt mit Überraschungen. Ein Satz, den Franziskus den Beichtvätern von Santa Maria Maggiore zurief, wurde dabei nur am Rande wahrgenommen: "Seid barmherzig!" Ein Satz als Programm für ein Pontifikat. "Barmherzigkeit verändert die Welt, macht sie weniger kühl und gerechter", sagt Franziskus bei seiner ersten Generalaudienz. Das klingt ein wenig banal: Barmherzig sein als fromme Übung, als geistliche Tugend. Das ist es natürlich auch, aber nicht nur: Franziskus denkt Barmherzigkeit von Gott her. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Der Vater, der den Ausreißer in Liebe wieder aufnimmt.
"Er ist ein geduldiger Vater, der immer auf uns wartet. Er respektiert unsere Freiheit, bleibt selbst aber immer treu. Wenn wir zu ihm zurückkehren, empfängt er uns wie Söhne in seinem Haus. Er hört nie auf - nicht einmal für einen Moment, uns in Liebe zu erwarten", sagt Franziskus.
So ein Gottesbild hat Konsequenzen für die Kirche, die sich Franziskus wünscht. Er will, dass die Beichte wieder populär wird. Hier ist für Katholiken die Barmherzigkeit Gottes im Sakrament erfahrbar. Er selbst gehe alle zwei Wochen zur Beichte, sagt Franziskus. Der Beichtvater höre ihm zu, gebe einen Rat und spreche Vergebung aus.
"Die Kirche ist nicht Herrin der Vergebung", sagt Franziskus. "Sie ist Dienerin der Barmherzigkeit. Und sie freut sich jedes Mal, wenn sie dieses göttliche Geschenk weitergeben kann."
Milde - auch gegenüber Geschiedenen?
Katholiken, die sich scheiden lassen und ein zweites Mal heiraten, sind vom Empfang der Kommunion ausgeschlossen. Auch hier fordert Franziskus "mehr Barmherzigkeit". Die Eucharistie sei "keine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen", heißt es im ersten Lehrschreiben dieses Papstes.
Bereits im Sommer, beim Rückflug vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro sagte er zum Thema Scheidung: "Die Kirche ist eine Mutter. Sie muss sich mit Barmherzigkeit um die Verletzten kümmern. Und wenn der Herr nicht müde wird zu verzeihen - dann haben wir keine andere Wahl."
Barmherzigkeit ist für Franziskus nicht zu verwechseln mit Toleranz oder gar Beliebigkeit. Auf die Frage, was denn Barmherzigkeit für einen Priester bedeute, warnte er vor zwei Arten von Geistlichen: den allzu laxen und den allzu rigorosen. Der barmherzige Priester sei jener, der die Wahrheit sage, aber hinzufüge: "Erschrick nicht, der gute Gott wartet auf uns. Wir gehen gemeinsam."
Mehr als fromme Worte
Und das meint Papst Franziskus ganz konkret. Wo früher die Kirche über Barmherzigkeit vor allem in schönen Bildern sprach, gibt es für Franziskus keinen Zweifel, dass zum Glauben nicht nur das fromme Wort, sondern auch die gute Tat gehört.
Obdachlose in Rom bekamen als Weihnachtsgeschenk frankierte Briefumschläge mit Weihnachtskarten, Telefonkarten und Metrotickets. Und sein Almosenverwalter berichtet: Wenn er abends rund um den Vatikan unterwegs sei, um Obdachlose und andere Bedürftige mit Essen zu versorgen, würde ihn Franziskus am liebsten begleiten.