Pakistans ungewisse Zukunft Politische Unruhen und ein drohender Staatsbankrott
In Pakistan ist auch nach vielen Protesten im Konflikt zwischen der Regierung und der Partei von Ex-Premier Khan keine Lösung in Sicht. Khan fordert umgehend Neuwahlen, die Regierung will ihn am liebsten wieder im Gefängnis sehen.
Über sein weißes Gewand hat sich Ali Khan eine Pakistan-Flagge gehängt. Immer wieder streckt er sie mit beiden Händen in die Höhe und ruft "Lange lebe Imran Khan". Ali Khan ist einer von Tausenden Protestierenden, die zuletzt auf die Straßen Pakistans gegangen sind. "Wir sind gekommen, um unsere Solidarität mit Imran Khan zu bekunden", sagt Khan. "Wenn die Polizei uns versucht einzuschüchtern, dann kommen noch viel mehr Menschen, um Imran Khan zu unterstützen."
Die teils gewalttätigen Proteste zeigen, wie angespannt die Lage im Land ist. Seit Monaten beschuldigen sich die Regierungskoalition und die Partei von Ex-Premierminister Khan (PTI) gegenseitig. Die Regierung hat inzwischen mehr als 100 Gerichtsverfahren gegen Khan eröffnet. Khan wiederum hält das Vorgehen für eine politische Kampagne, deren Ziel es sei, ihn von möglichen Neuwahlen auszuschließen.
Im Hintergrund das mächtige Militär
Politische Experten halten diese Variante für durchaus plausibel. "Die meisten Verfahren gegen Imran Khan sind meiner Meinung nach politisch motiviert", so Qamar Cheema, politischer Analyst. "Zum einen, weil er so beliebt ist im Land. Zum anderen hat er in seiner Amtszeit als Premierminister selbst viele Politiker ins Gefängnis gebracht. Nun wollen sie diese Rechnung mit Imran Khan begleichen."
Der Konflikt beschränkt sich allerdings nicht bloß auf die Regierung und Khan. Im Hintergrund waltet das mächtige Militär. Laut Experten lenkt dieses in Pakistan wichtige Entscheidungen und beeinflusst die gesamtpolitische Strategie. Außerdem soll das Militär mitverantwortlich dafür gewesen sein, dass Khan seinen Posten als Premierminister im vergangenen Jahr räumen musste.
Über Jahrzehnte war das Militär in Pakistan unantastbar. Kaum jemand traute sich, gegen das Militär die Stimme zu erheben. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes scheint sich dies zu wandeln. So drangen einen Tag nach der Festnahme Khans mehrere hundert Menschen in die Privatresidenz eines Militärkommandanten in Lahore ein. Sie zerstörten Teile seines Eigentums und entwendeten mehrere Pfauen aus seinem Garten. Der Vorfall löste eine Debatte darüber aus, wie einig sich das Militär im aktuellen Konflikt ist.
Im schlimmsten Fall: Staatsbankrott im Juni
Die politischen Tumulte treffen ein Land, das sowieso schon in enormen Schwierigkeiten steckt. Mehr als 77 Milliarden US-Dollar schuldet Pakistan seinen Gläubigern. Bis 2026 soll es einen Teil dieser Schulden vor allem an China und Saudi-Arabien zurückzahlen.
Es fehlt allerdings eine überzeugende Strategie, wie dies funktionieren könnte. Tiefgreifende finanzielle Reformen würden bei der Bevölkerung gerade jetzt in der aufgeheizten Stimmung wohl zu weiteren Spannungen führen. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Umfragewerte vor möglichen Neuwahlen sinken könnten.
Weil Reformen ausbleiben, scheint ein weiteres Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds zurzeit unwahrscheinlich. Pakistan hat allerdings so gut wie alle internationalen Währungsreserven aufgebraucht und hat große Probleme, wichtige Produkte zu importieren. Das führt zu erheblichen Mängeln wie beispielsweise im Gesundheitssystem, wo Kliniken und Patienten wichtige Herzmedikamente fehlen. Im schlimmsten Fall droht Pakistan bereits im Juni der Staatsbankrott.
Probleme, die derzeit vom Konflikt zwischen der Regierung und Khan überlagert werden. "Die Zukunft dieses Landes kann momentan niemand vorhersagen", meint Qamar Cheema. "Die Regierung, Imran Khan, das Militär - jeder sucht nach der besten Ausgangslage und nach einer gewinnbringenden Strategie." Bisher scheint diese jedoch noch niemand gefunden zu haben.