Neuseeland Von China abhängig, weil abgelegen?
China versucht massiv, seinen Einfluss im Südpazifik auszubauen. Militärisch ist das für Neuseeland ein Problem. Doch der Inselstaat schaut vor allem auf die Handelsbeziehungen - und betont seine beschränkten Möglichkeiten.
Neuseelands Premierminister Chris Hipkins hält sich mit Kritik an China zurück. Die Volksrepublik ist mit Abstand Neuseelands wichtigster Handelspartner. Bei seinem Besuch in China vor rund einem Monat fand Hipkins lobende Worte. "Dieser Besuch war unglaublich herzlich und konstruktiv. Unsere Botschaft, dass Neuseeland offen ist für Geschäfte, wurde hier in China gut aufgenommen." Hipkins war mit knapp 30 Unternehmern im Schlepptau nach China gereist.
Es sei besorgniserregend, wie wichtig China geworden ist, sagt Monique Surges, Präsidentin der Deutschen Auslandshandelskammer in Neuseeland. Und das im Im- wie Export. Mehr als ein Viertel der neuseeländischen Exporte gehen nach China. Auf Platz zwei folgt Australien mit einem Anteil von rund zwölf Prozent, auf Platz drei die USA.
China ist Hauptabnehmer von neuseeländischem Holz, von Milch- und Fleischprodukten. Chinesische Studenten sind eine wichtige Einnahmequelle für die Universitäten, chinesische Urlauber für die Tourismus-Branche.
Eine asymmetrische Beziehung
Neuseeland sei von China abhängig, ist das Fazit von Politikwissenschaftler Stephen Noakes von der Universität von Auckland. "Es ist Neuseelands wichtigste Wirtschaftsbeziehung, die Neuseeland pflegen und fördern muss. Vor allem, weil Neuseeland ein kleiner, sehr abgelegener Inselstaat ist."
Es sei eine asymmetrische Beziehung, in der China eindeutig der mächtigere Partner sei. Laute Kritik könne sich das Land daher nicht leisten - sei es an Chinas geopolitischem Einfluss oder an Menschenrechtsverletzungen.
Empfang in der Großen Halle des Volkes: Keine Misstöne trübten den Besuch von Hipkins in China und seine Gespräche mit Ministerpräsident Li.
"Was könnte Neuseeland sagen?"
Vor seiner China-Reise wurde Hipkins von einem Reporter gefragt, ob er den chinesischen Staatschef Xi Jinping als Diktator bezeichnen würde, so wie es US-Präsident Joe Biden getan hat. Seine Antwort: Nein. Die Form der Regierung läge ganz in der Hand der chinesischen Bevölkerung.
Neuseelands Haltung sei weniger ideologisch geprägt als die der USA oder Europas, sagt Politikwissenschaftler Noakes. "In gewisser Weise ist das verständlich. Was könnte Neuseeland sagen, das irgendetwas ändern würde? Aus Sicht der neuseeländischen Regierung gäbe es nur eine Lose-Lose-Situation."
Die Situation um Taiwan und die Uiguren habe Hipkins bei seinem Besuch trotz allem angesprochen. "Neuseeland und China haben unterschiedliche Ansichten. Wir teilen nicht die gleichen demokratischen Traditionen wie mit anderen Partnern, etwa Australien, Großbritannien oder den USA", so Hipkins. "Aber wir wählen den Weg des offenen und ehrlichen Austauschs."
Das Problem Taiwan
Neuseeland sucht die Balance zwischen China als wichtigstem Wirtschaftspartner und den USA als wichtigstem Partner in Sicherheitsfragen. Auf diesem Gebiet kooperiert Neuseeland zudem eng mit Großbritannien, Australien und Kanada - zusammen bilden sie die Geheimdienstallianz Five Eyes.
Für Neuseeland sei das kein einfacher Balanceakt, aber machbar, sagt Politikwissenschaftler Noakes - solange der Konflikt um Taiwan nicht eskaliert. "Das würde den Spagat zwischen den zwei Großmächten sehr schwierig machen. Einfach deshalb, weil der Druck der Five-Eyes-Partner sich erhöhen würde, sich an irgendeiner Aktion gegen China zu beteiligen, sei es, dass man im internationalen Rahmen klarere Worte findet, oder sei es, dass man sogar militärisch Präsenz zeigt."
Die Bedeutung des südpazifischen Raums wächst
Premierminister Hipkins musste jedoch erst Anfang August eingestehen, dass Neuseelands Militär in keinem guten Zustand und nicht für zukünftige Herausforderungen gewappnet ist. Und das in einer Zeit, in der geopolitische Konflikte vor seiner Haustür größer werden.
China und die Staaten des Westens buhlen derzeit um die Gunst der Inselnationen im Südpazifik. Es werden Investitionspakete verabschiedet und Botschaften eröffnet. Durch die Region führen wichtige Schifffahrtslinien, zudem verlaufen dort wichtige Untersee-Datenkabel.
Seit die Salomonen im April 2022 ein Sicherheitsabkommen mit Peking geschlossen haben, sind die USA und ihre Partner besonders unruhig. Der genaue Inhalt des Abkommens ist bis heute geheim. Doch klar ist, Peking gewinnt an Einfluss. Die USA, Neuseeland und Australien haben reagiert und ihre Präsenz in der Region ebenfalls erhöht.
"Wir sollten noch stärker kooperieren"
Der Premierminister der Cookinseln, Mark Brown, freut sich über die chinesischen Investitionen. Er sitzt im gelbem Blumenhemd in seinem Büro. China habe mehreren Ländern im Pazifik sehr geholfen. "Es gibt Bedenken von einigen unserer Partner über Fragen wie Sicherheitsabkommen. Aber ich denke, wir müssen verstehen, dass unsere Länder sich zu unabhängigen souveränen Staaten entwickelt haben. Und sie können kooperieren mit wem sie wollen."
Das Ziel der Inselnationen sei vor allem, den Wohlstand ihrer eigenen Bevölkerung zu verbessern. Die chinesische Präsenz besorgt ihn nicht. "Wenn man überhaupt etwas ändern sollte, dann sollten wir noch stärker kooperieren."
Gibt es alternative Märkte?
Während in Deutschland angesichts geopolitischer Spannungen im Südpazifik ein Umdenken einsetzt und die Strategie "Diversifizierung und De-Risking" heißt, sehen auch viele neuseeländische Unternehmen in China vor allem Chancen. Gareth Edgecombe, CEO von T&G Global, sagt, man müsse sich nur die wachsende Mitttelschicht dort anschauen - "die Konsumenten wollen qualitativ hochwertige Marken. Und die Nachfrage wächst jedes Jahr".
Das neuseeländische Unternehmen exportiert Früchte und Gemüse nach China. Er und andere CEOs schauten sich aber auch nach alternativen Märkten um. Hoch im Kurs sind Indien und Vietnam. Mike Walsh, Regional-Chef der deutschen Prüfgesellschaft DEKRA, hält das für weise. "Sich andere Optionen zu überlegen, ist richtig, sollte sich die Situation geopolitisch verschärfen."
Mehr Handel mit der EU
Viele Alternativen hat Neuseeland nicht. Das jüngste Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union ist ein Versuch, sich breiter aufzustellen. Nach jahrelangen Verhandlungen haben Vertreter Neuseelands und der EU im Juli das Abkommen unterzeichnet. Es soll 2024 in Kraft treten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte bei der Unterzeichnung in Brüssel, dass der Handel zwischen den beiden Partnern infolge das Abkommens um schätzungsweise 30 Prozent wachsen könnte. EU-Investitionen in Neuseeland könnten um bis zu 80 Prozent zunehmen, sagte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Doch Chinas wirtschaftliche Bedeutung für Neuseeland ist und bleibt vorerst weitaus wichtiger.