Zwei Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin gehen nebeneinander auf dem Gelände eines Zementwerks.
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Pilotprojekt gegen Klimakrise Norwegen will im großen Stil CO2 verpressen

Stand: 04.12.2023 14:36 Uhr

Zement herzustellen ist besonders klimabelastend: Acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes entstehen dabei - mehr als der weltweite Flugverkehr. In einem Pilotprojekt will Norwegen dieses CO2 unter dem Meeresboden lagern.

Über dem Schlot steigt grauer Rauch auf. Das alte Zementwerk in Brevik ist seit wenigen Wochen der neue Arbeitgeber von Tessa Knutsdatter. Doch die Norwegerin soll hier kein Zement brennen, sondern bald einfangen, was bei der Produktion entsteht: das Treibhausgas Kohlendioxid.

"Es gibt viele Dinge, die für diesen Prozess wichtig sind", erklärt sie. "Dampf, Wasser, Chemikalien, hoher Druck, sehr hohe Temperaturen. Alles das muss zusammenspielen, und wir müssen diesen Prozess im Blick behalten."

CO2-Verpressung in Norwegen

Christian Blenker, ARD Stockholm, Weltspiegel, 03.12.2023 18:30 Uhr

Weltweit erste Anlage

Die Zementindustrie ist weltweit für große CO2-Emissionen verantwortlich. Denn wenn in den heißen Öfen Kalkstein verarbeitet wird, entsteht besonders viel Kohlendioxid. In Brevik wagen sie deshalb etwas Neues: die weltweit erste Anlage zur CO2-Abscheidung und Speicherung in der Zementindustrie.

400.000 Tonnen des Treibhausgases wollen sie im Jahr reduzieren, erklärt Tor Gautestad, der für das Projekt verantwortlich ist. "Wir fangen das CO2 bei niedriger Temperatur ein, und nutzen eine Chemikalie, die das CO2 absorbiert. Das ist das Herzstück des Prozesses."

CO2-Zwischenlager in Norwegen

Das verflüssigte und gekühlte CO2 wird per Schiff in den Norden des Landes nach Kollnes in ein Zwischenlager geschickt. Von dort geht es per Pipeline zum Lagerort in der Nordsee.

Lagerung weit draußen in der Nordsee

In speziellen Behältern werden die Abgase zunächst abgekühlt. Dann wird eine Chemikalie hinzugegeben, und das Gemisch wird wieder erhitzt, um das CO2 abzuspalten. Unter hohem Druck wird es dann schließlich verflüssigt, erklärt Gautestad. "Die Energie für diesen Prozess kommt hauptsächlich aus dem Zementofen. Wir nutzen die Abwärme - also das, was sonst aus dem Schornstein kommt -, leiten es um und nutzen es für den Prozess."

In Brevik wird das verflüssigte und gekühlte CO2 weitergeschickt: Per Schiff geht es über viele Kilometer in den Norden des Landes nach Kollnes, nördlich von Bergen zu einem Zwischenlager. Von hier geht es dann per Pipeline zum endgültigen Lagerort weit draußen in der Nordsee. Im Sandstein in 2.600 Meter Tiefe wollen sie im Jahr 1,5 Millionen Tonnen verpressen.

Klimahilfe für ganz Europa

Finanziert wird das Projekt hauptsächlich vom norwegischen Staat. Ministerpräsident Jonas Gahr Store zeigt sich im ARD-Interview überzeugt, dass sein Land ganz Europa dabei helfen könne, die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen.

"Wir haben genug Platz, um in den kommenden Jahrzehnten das CO2 ganz Europas dauerhaft zu speichern", sagt Store. "Wir arbeiten derzeit an einer Wertschöpfungskette für die Industrie, damit Sie das CO2 per Schiff und eines Tages per Pipeline zu uns bringen. Wir wollen, dass es sich wirtschaftlich lohnt. Und ich bin davon überzeugt, dass es das wird!"

CCS-Technik "in der Übergangszeit"

Entlang der Westküste ist zu sehen, was Norwegen den Wohlstand gebracht hat: schwimmende Plattformen, die noch immer Öl und Gas fördern. Beim norwegischen Energieunternehmen Equinor glauben sie, dass fossile Energieträger auch in Zukunft gebraucht werden. Grete Tveit sucht deshalb für das Unternehmen Wege, Emissionen zu senken.

Die CCS genannte Technik sei ein Schlüssel auf dem Weg. "Wir sehen, dass der Stopp-Knopf für Öl und Gas sehr plötzlich gedrückt wird. Das wird zu Problemen führen. Denn noch gibt es nicht genug alternative Energiequellen. In einer Übergangszeit müssen wir also das CO2 abscheiden und es dauerhaft speichern."

Andere sollen nachziehen

Im Zementwerk in Brevik wissen sie, dass die Menge an CO2, die sie hier einfangen werden, für das Klima kaum einen Unterschied machen wird. Und trotzdem soll ihr Pilotprojekt etwas bewirken, hofft Tessa Knutsdatter.

"Wir müssen ja etwas tun. Und wir müssen klein anfangen. Ich denke, wenn wir das hier zum Laufen bekommen, dann werden andere bald nachziehen." Die Bewährungsprobe kommt schon nächstes Jahr: Dann werden sie hier in ihrem alten Zementwerk CO2 einfangen und es tief unter dem Meeresboden verschwinden lassen.

Christian Blenker, ARD Stockholm, tagesschau, 01.12.2023 15:28 Uhr