Vor den Wahlen in Nicaragua Ortega tritt gegen die Verfassung an
In Nicaragua haben die Menschen heute einen neuen Präsidenten gewählt. Mit Ergebnissen wird morgen gerechnet. Als Favorit ging Amtsinhaber und Ex-Revolutionär Ortega ins Rennen. Dabei dürfte er laut Verfassung eigentlich nicht mehr antreten. Die Opposition warnt vor Betrug und ist gleichzeitig zerrissen.
Von Martin Polansky, ARD-Hörfunkstudio Mexiko-Stadt
Die Sandinisten von Präsident Daniel Ortega sehen sich in ihrem Wahlkampfsong bereits als Sieger. Seit Anfang 2007 regiert der linksgerichtete Politiker wieder das Land, nachdem er Ende der siebziger Jahre bereits zu den Anführern der sandinistischen Revolution gehört hatte. Ortega wirbt mit seinen Sozialprogrammen für Arme - etwa verbilligten Lebensmitteln und Unterstützung für Schulkinder.
Finanziert wird das mit Hilfsgeldern aus dem ölreichen Venezuela. Der dortige linksgerichtete Präsident Hugo Chavez ist ein enger Verbündeter Ortegas. Der beschwört das revolutionäre Erbe: "Ich habe mein ganzes Leben lang gekämpft. Und wie viele Genossen sind in diesem Kampf gefallen? Tausende! Es ist ihr vergossenes Blut, das mich bewegt, heiliges Blut. Und das gibt uns Kraft, weiterhin zu kämpfen."
Viele seiner früheren Weggefährten haben sich allerdings von Ortega abgewandt. Sie werfen ihm vor, sich zum marxistischen Caudillo entwickelt zu haben, dem es nur um die eigene Macht gehe.
Wiederwahl laut Verfassung eigentlich verboten
Laut Verfassung dürfte sich der Präsident eigentlich gar nicht zur Wiederwahl stellen. Aber das oberste Gericht hat Ortega in einer umstrittenen Entscheidung trotzdem zugelassen. Aus Sicht der Kritiker ist das ein Beleg dafür, dass der Comandante und seine Sandinisten immer autoritärer in Nicaragua regieren und viele Institutionen entmachtet haben.
Die Opposition ist gespalten. Sie tritt gleich mit vier Kandidaten an. Das könnte Ortega den Wahlsieg bescheren, denn schon 35 Prozent der Stimmen reichen aus, wenn der Zweitplatzierte mindestens fünf Prozentpunkte dahinter liegt.
Der aussichtsreichste Kandidat der Opposition, der fast 80-jährige Radiomoderator Fabio Gadea, warnt vor Wahlbetrug: "Zum einen ist der Kandidat Ortega illegal und illegitim. Zum anderen wurde vielen Bürgern der für die Wahlen notwendige Ausweis verweigert. Das zeigt, wie viele Unregelmäßigkeiten es gibt. Wie sollen wir da die Wahlen anerkennen? Ich zumindest kann das nicht."
Wahlbeobachter aus Europa
Die Europäische Union hat Wahlbeobachter nach Nicaragua geschickt. Sie wurden erst nach längerem Zögern von den Sandinisten zugelassen. Bei den Kommunalwahlen 2008 gab es massive Unregelmäßigkeiten. Als Konsequenz froren EU-Staaten einen großen Teil ihrer Entwicklungshilfe für Nicaragua ein.
Nach den Umfragen liegt Ortega klar vorne. Viele Arme im Land unterstützen ihn wegen der Sozialprogramme. Bei der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl setzen die Sandinisten darauf, diesmal die absolute Mehrheit zu gewinnen. Ortega und seine Partei könnten dann erst recht durchregieren.