Treffen der Verteidigungsminister NATO macht Ernst mit dem Zwei-Prozent-Ziel
Knapp zehn Jahre, nachdem sich die NATO auf das Zwei-Prozent-Ziel geeinigt hat, soll nun beim Gipfel in Vilnius der Kassensturz erfolgen. NATO-Chef Stoltenberg machte bereits klar, dass die Verteidigungsausgaben der Allianz erhöht werden sollen.
Eine Routinesitzung wird das heute nicht. Dafür hat der Generalsekretär der NATO gesorgt. Jens Stoltenberg will Klartext reden mit den Verteidigungsministern. Beim Gipfel in Vilnius in vier Wochen erwartet er, dass die Alliierten sich festlegen auf höhere Verteidigungsausgaben.
Das Zwei-Prozent-Ziel soll dabei eine entscheidende Rolle spielen - aber anders als bisher. Es soll nicht mehr ein lockerer Richtwert sein, den man einhalten kann oder nicht. "Die zwei Prozent werden nicht mehr die Obergrenze sein, nach der wir streben", erklärte Stoltenberg vor den Gesprächen mit den Ministern. "Das sollte das Minimum sein für das, was wir in Zukunft für Verteidigung ausgeben müssen."
Spitzenreiter Griechenland
Dabei schafft schon jetzt nur eine kleine Gruppe von Mitgliedsländern, jedes Jahr zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. Großbritannien gehört dazu, Polen und die baltischen Länder und natürlich die Vereinigten Staaten von Amerika. Spitzenreiter aber ist Griechenland - gut 3,5 Prozent ihrer Wirtschaftskraft lassen die Griechen sich die Sicherheit kosten. Der Grund: Sorgen vor militärischen Übergriffen vom Nachbarn Türkei.
Die Mehrheit der NATO-Mitgliedsländer liegt aber mehr oder weniger deutlich unter den zwei Prozent. Zu dieser Gruppe gehört Deutschland, mit rund 1,5 Prozent. Das ist zwar immerhin ein Platz im Mittelfeld, aber doch ziemlich weit entfernt von der Zielmarke.
Kassensturz knapp zehn Jahre später
Festgeschrieben wurde das Zwei-Prozent-Ziel 2014 beim NATO-Gipfel in Wales. Putin hatte gerade die Krim überfallen - der Westen verstand das als eine Warnung, nach den Jahren der Entspannung mehr in die eigene Verteidigung zu investieren. Knapp zehn Jahre danach soll jetzt in Vilnius der Kassensturz erfolgen.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius gab sich vor der Sitzung optimistisch. Er freue sich, dass das Zwei-Prozent-Ziel in der neuen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung festgelegt sei. "Wir wollen das auch schon 2024 erreichen", das sei ein wichtiges Signal an die Alliierten in der NATO.
Deutschland muss Verteidigungsetat um ein Viertel aufstocken
Was das Zwei-Prozent-Ziel für Deutschland konkret bedeuten würde, hat das Ifo-Institut ausgerechnet. Danach müsste der Verteidigungsetat um ein Viertel aufgestockt werden, das entspricht der Summe von 17 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr. Bei der NATO werden die Investitionssummen übrigens erst dann berücksichtigt, wenn sie tatsächlich bezahlt sind. Das gilt auch für das 100-Milliarden-Sondervermögen der Bundesregierung.
Unumstritten ist das Zwei-Prozent-Ziel nicht. Wenn beispielsweise die Konjunktur schlecht läuft und die Wirtschaftsleistung sinkt, dann wächst quasi automatisch der Anteil der Verteidigungsausgaben - ohne dass ein einziger Cent mehr für die Sicherheit ausgegeben wäre. Und allein durch den Kauf teurer Waffen ist noch längst nicht die Verteidigungsfähigkeit erhöht.
Debatte über gemeinsame Verteidigungsfinanzierung
Das Problem kennen die Europäer. Sie geben zwar jedes Jahr mehr als 200 Milliarden Euro für Rüstung aus - aber sie tun das meist im nationalen Alleingang. Der eigene Waffenpark mit dem eigenen Panzer, das sind immer noch nationale Prestigeobjekte. Die Folge sind Doppel- und Dreifachstrukturen, außerdem Probleme bei der Interoperabilität der Waffensysteme im Einsatz.
Michael Hüther, der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, hält das allein schon aus ökonomischer Sicht für Unsinn. Er fordert, auch bei der Rüstung europäisch zu planen und einzukaufen. Eine gemeinsame Finanzierung der europäischen Verteidigung sei sinnvoller. "Man hat größere Mengen, man kann skalieren, man kann vor allem auch die Waffensysteme reduzieren und auf ein erträgliches Maß bringen". Hüther verweist auf die USA. Die größte Militärmacht der Welt kommt mit viel weniger unterschiedlichen Waffensystemen aus als die Europäer.
Echte Europäische Verteidigungsunion?
Aus Sicht des IW-Direktors spricht vieles für eine echte Europäische Verteidigungsunion, in der man sich in allen Waffengattungen für das effizienteste und beste Angebot entscheidet. Das sollte dann gemeinsam durch eine Zweckabgabe finanziert werden, statt wie bisher auf kostspielige nationale Alleingänge zu setzen.
Allerdings werde man auch dann nicht an höheren Ausgaben für die Verteidigung vorbeikommen. "Zu Helmut Schmidts Zeiten sind über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben worden, in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage mit Massenarbeitslosigkeit." Trotzdem sei es gelungen, die Verteidigungsausgaben zu finanzieren. "Das wird auch jetzt möglich sein."