Interview

Kyoto-Abkommen ohne die USA Interview: "Ein trauriger Tag für unser Land"

Stand: 26.08.2007 22:35 Uhr

Das Kyoto-Abkommen zum Klimaschutz ist in Kraft getretren. 141 Länder unterstützen das Protokoll, die USA als größter Erzeuger von klimaschädlichen Gasen ist jedoch nicht dabei. ARD-Korrespondent Gerald Baars sprach mit Robert Kennedy Jr., dem Umwelt-Anwalt und Sohn des ermordeten früheren Justizministers, über die Folgen.

Gerald Baars: Was sagen sie dazu, dass die derzeitige US- Regierung nicht die geringste Absicht zeigt, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen?

Robert Kennedy: Es ist ein wirklich trauriger Tag für unser Land und für die ganze Welt. Denn die USA sind der größte Umweltverschmutzer. Also tragen wir auch die größte Verantwortung, um die Probleme der globalen Erwärmung zu lösen. Leider haben wir einen Präsidenten, der völlig von der Ölindustrie und dem Bergbau kontrolliert wird. Und das sind die schlimmsten Umweltverschmutzer Amerikas - eine Industrie, die rund 100 Millionen Dollar für die Wahlkämpfe der Republikaner gespendet hat. 48 Millionen Dollar für die Wahlen 2000 und dann noch mal 58 Millionen.

Und der Präsident bedankt sich jetzt bei ihnen, indem er ausgerechnet Lobbyisten der Energieindustrie in Regierungsämter bringt, die eigentlich dafür verantwortlich sein müssten, die Umwelt der Amerikaner zu schützen. Und der größte Gefallen, den der Präsident diesen Leuten tun konnte, war, von der ursprünglichen Verpflichtung in Kyoto abzurücken. Das ist wirklich ein schlechter Zug des Weißen Hauses!

Baars: Andererseits argumentieren die Lobbyisten, dass ein großer Schaden für die amerikanische Wirtschaft entstünde, wenn man Kyoto befolgen würde.

Kennedy: Diese Befürchtung der Industrie ist absoluter Quatsch. Denn das Beste für unsere Wirtschaft wäre doch, energiebewusster zu sein. Damit könnten die USA sogar leistungsfähiger werden. Wir dürfen einfach nicht mehr von ausländischem Öl so abhängig sein! Nicht nur, um die Ziele von Kyoto zu erreichen, sondern auch um 300 Milliarden teuere Kriege wie im Irak zu vermeiden. Den würden wir nämlich nicht führen, wenn es nicht ums Öl gehen würde.

Wir sollten in alternative Energien investieren. Das bringt uns raus aus diesem Schlamassel. Dann hätten wir saubere Luft und stünden nicht unter dem Preisschock der internationalen Ölmärkte. Jeder Amerikaner wäre dann reicher. Nehmen wir unsere Autos: Die brauchen im Durchschnitt fast 11 Liter auf 100 Kilometer. Würde ich Autos fahren, die nur die Hälfte verbrauchen, würde ich gleich 800 Dollar im Jahr an Benzin sparen. Denken Sie mal darüber nach, wie das die amerikanische Wirtschaft ankurbeln würde.

Und: Wir geben 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Energie aus. In Deutschland sind das, glaube ich, nur acht Prozent, in Japan sieben. So kann ihr Land viel günstiger Exportgüter produzieren – dank der geringeren Energiepreise. Es würde auch uns wettbewerbsfähiger machen, wenn wir weniger vom Bruttoinlandsprodukt für Energie verschwenden würden.

Baars: Als Beobachter der amerikanischen Gesellschaft habe ich das Gefühl, dass die Menschen hier vielleicht sogar ihrer Regierung ein Stück voraus sind…

Kennedy: Ach, wissen Sie, das Problem sind die Medien in unserem Land. Die werden weitgehend kontrolliert vom rechten politischen Flügel und von mächtigen Konzernen. Die meisten Amerikaner informieren sich über Nachrichtenkanäle im Fernsehen – und das ist hauptsächlich Fox News, kontrolliert von rechten Industriellen. Und genauso ist es mit den Radioprogrammen. 99 Prozent aller Talk-Radios werden von den Rechten beherrscht.

Es besteht regelrecht eine Ehe zwischen Umwelt belastender Industrie und rechten Fanatikern, die Amerikas Psyche dominieren. Nachrichten über Kyoto werden einfach nicht gebracht. Die Hälfte der Amerikaner, nämlich 47 Prozent, denkt sogar, die globale Erwärmung sei nicht ernst zu nehmen. Warum glauben sie das? Eindeutig, weil die Industrie eine 100 Millionen Dollar teure Propaganda-Kampagne führt, um die Amerikaner zu beeinflussen. Leider haben wir nicht wirklich alternative Medien, die etwa über die Ideen der Demokraten oder auch ausländische Stimmen bringen würden. Diese Stimmen bleiben ungehört im amerikanischen Fernsehen.

Baars: Glauben Sie, dass Amerika doch noch den anderen Kyoto-Unterzeichnern einmal folgt?

Kennedy: Das größte Problem ist - noch einmal -, dass Amerika keine unabhängigen Medien mehr hat. Unsere Presse wird von Umweltverschmutzern und rechten Fanatikern kontrolliert Und das ist genau dasselbe Bündnis zwischen Industrie und rechten Fanatikern, wie im Deutschland der 20er Jahre, was dann im Faschismus endete.

Denn Faschismus ist laut Benito Mussolini die Verflechtung von Staat und der Macht von Konzernen. Kommunismus ist die Kontrolle über Unternehmen durch die Regierung. Faschismus ist die Kontrolle über die Regierung durch Unternehmen. Wir müssen aber den schmalen Pfad dazwischen gehen: Freie Marktwirtschaft und Demokratie. Doch wir haben keine freie Marktwirtschaft mehr in den USA. Wir haben eine kapitalistische Konzern-Vetternwirtschaft. Und das steht im Widerspruch zu Demokratie, Leistungsfähigkeit und Wohlstand in Amerika, eigentlich fast genauso wie in Nigeria…