EU-Minister und Annan beraten über Libanon-Einsatz Wer wird die UN-Truppe führen?
Frankreich oder Italien? Wer soll die UN-Schutztruppe im Libanon anführen? UN-Generalsekretär Annan, der heute in Brüssel mit den EU-Außenministern über den Libanon-Einsatz beraten wird, will entscheiden, welche Nation die Führung der UN-Truppe übernehmen soll.
Von Michael Becker,MDR-Hörfunkkorrespondent Brüssel
Eigentlich hatte man die Franzosen in Brüssel schon fast abgeschrieben: Nachdem die Regierung in Paris ursprünglich die Führung der UN-Friedenstruppe im Libanon für sich beansprucht hatte, war die französische Regierung in den vergangenen Tagen regelrecht abgetaucht. Man wolle nur noch 200 zusätzliche Soldaten schicken, hieß es aus Paris.
Seit gestern Abend nun ist alles anders: Präsident Jacques Chirac kündigte in einer Fernsehansprache an, Frankreich sei bereit sich mit 2000 Soldaten zu beteiligen und die Verantwortung im Libanon zu übernehmen, wenn die Vereinten Nationen das wünschen.
Allerdings: Der neuerliche französische Führungsanspruch könnte eine hochpeinliche Situation heraufbeschwören. Mittlerweile hatten sich nämlich die Italiener bereit erklärt, die UN-Friedenstruppe zu führen, nachdem die Franzosen sich quasi zurückgezogen hatten. Die Italiener hatten außerdem das erste konkrete und bisher größte Angebot gemacht und zugesagt, 2000 bis 3000 Soldaten stellen zu wollen.
Wer beteiligt sich an der UN-Truppe?
In Brüssel wird es heute also nicht nur darum gehen, welche europäischen Länder sich wie an der UN-Truppe beteiligen, sondern auch darum, einen diplomatischen Skandal zu vermeiden. UN-Generalsekretär Kofi Annan sitzt heute in Brüssel mit am Tisch. Ihm ist vor allem daran gelegen, dass die Europäer möglichst schnell zu Potte kommen. Die Zeit drängt. Niemand weiß, wie lange die Waffenruhe im Libanon hält. Und bisher haben sich die einzelnen EU-Länder ziemlich schwer damit getan, konkrete Vorschläge auf den Tisch zu legen, wie sie sich am Libanon-Einsatz beteiligen wollen.
Der finnische Außenminister Erkki Tuomioja - zurzeit der EU-Vorsitzende - reist seit Tagen quer durch Europa um sicher zu stellen, dass heute in Brüssel Nägel mit Köpfen gemacht werden: "Ich denke, wir sehen alle ganz klar, dass die EU eine sehr entscheidende Rolle hat und ohne den Einsatz der EU gibt es keine Aussicht auf Frieden und Stabilität für diese Region", meinte Tuomioja gestern bei seinem Besuch in Berlin. „Ich glaube, man kann davon ausgehen, dass alle europäischen Mitgliedstaaten die Verpflichtung spüren, die wir haben, zur Beruhigung der Grenzsituation beizutragen“, meinte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Allerdings auch der deutsche Beitrag ist bisher noch vage.
Marine-Einsatz unter deutschem Kommando?
Bundesregierung und Bundestag wollen sich erst in der kommenden Woche über Details verständigen. Deutschland hat bisher angeboten, sich mit Marine-Einheiten zu beteiligen - Bodentruppe sollen nicht geschickt werden. Möglicherweise wird Deutschland die Marine-Operationen vor der libanesischen Küste leiten. Auch die Polen, Spanier, Finnen und Dänen wollen sich beteiligen - wie genau ist noch offen. Annan wird von Brüssel aus direkt nach Israel und in den Libanon fliegen - unter anderem, um dafür zu werben, dass die Waffenruhe hält, bis die UN-Truppe vor Ort ist.