Polen blockiert Abkommen mit Moskau EU-Russland-Gipfel wird zum Fleisch-Gipfel
Eigentlich sollte auf dem heutigen EU-Russland-Gipfel der Weg für ein Partnerschaftsabkommen geebnet werden. Stattdessen wird es in Helsinki wohl um Fleisch-Importverbote und Gaslieferungen gehen. Zwei Themen, die das EU-Mitglied Polen zu seiner Zufriedenheit geklärt wissen will, und bis dahin die Verhandlungen mit seinem Veto blockiert.
Vertreter der Europäischen Union bemühten sich zum Auftakt des Gipfeltreffens, Streitfragen herunterzuspielen. EU-Chefdiplomat Javier Solana sagte in Helsinki, die Blockade des geplanten Partnerschaftsabkommens mit Russland könne "überwunden werden". Und EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sagte, die Beziehungen zwischen der EU und Russland seien trotz des polnischen Vetos "nicht verpfuscht". Überschattet wird der Gipfel auch vom Tod des russischen Ex-Spions Alexander Litwinenko in London.
Von Horst Kläuser, ARD-Hörfunkstudio Moskau
Das wird kein fröhlicher EU-Russland-Gipfel! Warschau zeigt Brüssel, was eine Harke ist und Moskau kann so tun, als hätte es mit all dem nichts zu tun. Dabei hat die willkürliche Politik Moskaus erst den Keil zwischen die europäischen Staaten getrieben, die nun - wieder einmal - einen traurigen und zerstrittenen Eindruck hinterlassen, wo sie doch eigentlich gesamteuropäische Interessen gegenüber Russland formulieren und vertreten sollten.
Fleisch und Energie statt Irak und Iran
Zwar wollen der russische Präsident Wladimir Putin, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der derzeitige EU-Ratspräsident Matti Vanhannen auch über die Lage im Irak, das iranische Atomprogramm, Georgien und den Nahen Osten sprechen. Übrig bleiben werden aber am Ende wohl der Streit um Fleisch und Gas und vermutlich die zähneknirschende Einsicht, dass der Verhandlungsstart für das neue Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und der russischen Föderation am polnischen Veto scheitert.
Denn Warschau, noch nicht lange in der EU, macht die Beratungen davon abhängig, dass Moskau zuvor die Energie-Charta ratifiziert, die den russischen Markt für europäische Unternehmen öffnet, und vor allem den Einfuhrstopp für polnisches Fleisch aufhebt.
"Was die Substanz der beiden polnischen Forderungen betrifft, teilt die EU-Kommission die Forderungen Polens", sagt der Delegationschef der EU-Kommission, Marc Franco. "Die Energie-Charta sollte ratifiziert werden und das russische Importverbot auf polnisches Fleisch aufgehoben werden. Die restlichen 24 Mitglieder der EU glauben nämlich, dass dies aber keine Vorbedingung für den Beginn des Gipfels sein sollte." Die EU habe versucht Polen davon zu überzeugen, dies auch zu akzeptieren.
Warschau lässt es drauf ankommen
Vergeblich, wie zwischenzeitlich auch Franco in Moskau einsehen musste. Da hilft es wenig, dass Diplomaten in Brüssel hinter der vorgehaltenen Hand stöhnen, die Polen hätten dieses Mal wohl überzogen: Warschau bleibt hart, will zur Not den Gipfel scheitern lassen. Und fühlt sich mit seiner harten Haltung nicht allein. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht: nach dem erwarteten Beitritt von Bulgarien und Rumänien in die EU hat Russland schon mal angekündigt, wegen so genannter hygienischer Bedenken auch deren Fleisch nicht ins Land zu lassen.
Der rumänische Außenminister hatte im Gegenzug vorsorglich die Polen seiner Solidarität gegenüber den Russen versichert. Auch in Energiefragen, denn Polen will die Ostsee-Pipeline nicht, Russland nicht die Energiecharta. Das erzürnt den russischen Außenpolitiker im Föderationsrat, Wassili Lichatschow: "Der rumänische Außenminister sagte während seines Besuches in Warschau: 'Ihr Polen, habt Geduld. Brüssel empfängt uns am 1. Januar und wir verstärken dann die antirussische Energiefront. Wir werden gemeinsam gegen Moskau kämpfen.' In Moskau hat man das gehört."
Keine leichte Aufgabe also für die finnische Präsidentschaft, die den Gipfel retten will. Finnland pflegt eine enge Hass-Liebe-Beziehung mit dem gigantischen Nachbarn im Osten, stöhnt unter Verkehrsbelastungen und erfreut sich am boomenden Handel. Doch ob dieser Hebel reicht, um Europa mit einer Stimme sprechen zu lassen und Russland nicht als Sieger aus dem innereuropäischen Streit hervorgehen zu lassen, ist fraglich.