Vor der EU-Ratspräsidentschaft Bundesregierung will Durchbruch bei Verfassungskrise
Außenminister Steinmeier und Bundeskanzlerin Merkel haben erneut die Überwindung der EU-Verfassungskrise als Hauptaufgabe für die deutsche Ratspräsidentschaft bezeichnet. Beide bemühten sich aber zugleich, allzu hohe Erwartungen zu dämpfen.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sieht in der europäischen Verfassungskrise die größte Herausforderung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Steinmeier sagte bei der Vorstellung des deutschen Programms in Brüssel, die Bundesregierung wolle im Juni einen "von allen akzeptierten Vorschlag" machen, um den Verfassungsprozess wiederzubeleben. Das Projekt einer europäischen Verfassung liegt seit der Ablehnung der Niederländer und Franzosen im vergangenen Jahr auf Eis.
Steinmeier sagte, Deutschland sei klar, wie hoch die Erwartungen der Partner seien. "Wir werden in den kommenden sechs Monaten keine Wunder vollbringen", sagte er. Dennoch sei die Bundesregierung zuversichtlich. "Ich hoffe, dass die Kooperationsbereitschaft bei denjenigen, die derzeit skeptisch gegen die Verfassung eingestellt sind, gut ist", sagte der SPD-Politiker.
Außenpolitisch sieht Steinmeier die Herausforderungen vor allem im Nahen Osten, wo die EU - gemeinsam mit Russland, den USA und den Vereinten Nationen - versuchen müsse, den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern voranzubringen. Auch die Vertiefung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland, dem wichtigsten Energielieferanten, stehe auf dem Arbeitsplan. Deutschland übernimmt zum Jahreswechsel die Ratspräsidentschaft der EU von Finnland.
Merkel: "Verfassung zentrale Herausforderung"
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte nach einem Gespräch mit ihrem dänischen Kollegen Anders Fogh Rasmussen in Kopenhagen die Verfassung zu einer zentralen Herausforderung. "Wir wollen das Projekt des Verfassungsvertrages wieder auf eine vernünftige Bahn setzen, nachdem die Diskussionsphase vorbei ist", sagte sie. "Nun müssen wir überlegen, wie wir Europa bis 2009 wieder handlungsfähig bekommen." Sie habe alle Partner gebeten, für die Lösung des Verfassungsproblems je einen direkten "Ansprechpartner" zu nennen.
Bei ihrem anschließenden Treffen mit dem finnischen Regierungschef und bisherigen EU-Ratsvorsitzenden Matti Vanhanen in Helsinki lobte Merkel, die finnische Regierung könne auf eine hervorragende Präsidentschaft zurückblicken. Besonders hob sie den in der vergangenen Woche erzielten Beschluss hervor, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in Teilen auszusetzen.
Merkel hatte bereits mehrfach neue Impulse für den Verfassungsprozess angekündigt. Konkrete Ergebnisse werden aber noch nicht erwartet. Dafür bräuchte Deutschland die Unterstützung starker Partner wie Frankreich. Dort allerdings finden im Mai Präsidentschaftswahlen statt und beide Favoriten - die Sozialistin Ségolène Royal und der Konservative Nicolas Sarkozy - halten ihre Vorstellungen bislang bewusst vage.