Zweites Kapitel der Beitrittsverhandlungen EU verhandelt wieder mit der Türkei
In die seit Monaten festgefahrenen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist erstmals wieder Bewegung gekommen. Im Beisein des türkischen Chefunterhändlers Babacan eröffnete die EU in Brüssel das zweite von 35 Verhandlungskapiteln.
Von Michael Becker, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Mitte Dezember hatten die Außenminister der EU entschieden, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auf Eis zu legen - teilweise zumindest. Der Grund: die Türkei weigert sich nach wie vor, das EU-Mitglied Zypern anzuerkennen, und türkische Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge aus Zypern zu öffnen.
Zypern ist seit 30 Jahren geteilt, in die griechische Republik Zypern im Süden und den türkisch besetzen Norden. Der wiederum wird von der EU mit einem Handelsembargo isoliert. An diesem Konflikt hat sich nach wie vor nichts geändert. Noch immer weigert sich die Türkei, ihre Häfen und Flughäfen für Zypern zu öffnen, so wie die EU es verlangt.
Verhandlungen auf Eis oder nicht?
Trotzdem wird nun weiter verhandelt - ab heute sitzen die Unterhändler aus Ankara wieder in Brüssel am Verhandlungstisch. Erstaunlich ist das nicht: denn die Entscheidung der EU, die Beitrittsverhandlungen auszusetzen, war ein typischer EU-Formelkompromiss. Aussetzen ja, aber eben nur zum Teil.
Tatsächlich wurden nur einige von den insgesamt 35 Verhandlungsbereichen ausgesetzt - in anderen Bereichen können die Verhandlungen weiter gehen. Vor zwei Wochen war der türkische Chefunterhändler Ali Babacan in Brüssel und meinte dazu nicht frei von Ironie: "Bis Ende Dezember des vergangenen Jahres war die wohl am meisten gestellte Frage, wann die Türkei reif für die EU sein würde. Jetzt muss es wohl eher heißen: wann ist die EU reif für neue Erweiterungen, wann ist sie reif für die Türkei?"
Ganz unrecht hat er damit nicht. Die EU ist von einer gemeinsamen Position beim Thema Türkei-Beitritt meilenweit entfernt. Über die grundsätzliche Frage, ob die Türkei überhaupt in die EU gehört, gehen die Meinungen weit auseinander. Da es auf diese Frage keine Antwort gibt, wird eben weiter verhandelt.
Türken blocken - Zyprer auch
Tatsache ist, dass die Türken das EU-Mitglied Zypern anerkennen müssen - die Türkei hatte sich vor Beginn der Beitrittsverhandlungen verpflichtet, ihre Häfen und Flughäfen für Zypern zu öffnen. Genau so wahr ist aber auch, dass Zypern sich verpflichtet hat, über ein Ende des Handelsembargos gegen den türkischen besetzten Norden von Zypern zu verhandeln - und auf der Strecke passiert auch nichts.
Die Türken weisen außerdem zu Recht darauf hin, dass es die griechischen Zyprer waren, die 2004 gegen die Wiedervereinigung der Insel gestimmt haben - und nicht die türkischen Zyprer im Norden. "Die türkischen Zyprer haben immer wieder gezeigt, dass sie bereit sind die Probleme zu lösen - sie haben Ja gesagt zur Wiedervereinigung der Insel - und ironischerweise werden sie bestraft und müssen unter dem Handelsembargo leiden", argumentiert der türkische Chefunterhändler Babacan in Brüssel.
Das Problem bei den Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei ist, dass die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehen kann, was passiert. Mit großem Theater werden die Verhandlungen im Dezember auf Eis gelegt, um dann jetzt still und heimlich weiter zu gehen, ohne dass das Zypern-Problem vom Tisch wäre. Die EU muss sich wohl in der Tat fragen, ob sie eine transparente und konsequente Linie verfolgt.